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Positiver Ausblick

Von Gerhard Lechner

Politik

Trotz Griechenland-Krise: Die Wirtschaftsprognosen für Ost- und Südosteuropa sind erstaunlich optimistisch.


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Wien. Geht Griechenland pleite? Kommt es zum "Grexit", zum Austritt Hellas aus der Eurozone oder gar aus der EU? Reißt der hellenische Untergang sogar die ganze Wirtschaft der Europäischen Union in einen Abwärtsstrudel? Wer in den letzten Wochen europäische Zeitungen konsumierte, wurde mit Hiobsbotschaften bombardiert. Und Anleger bereiten sich bereits auf den nahenden Crash vor: Der Absatz von Goldbarren und Münzen ist in den letzten Wochen sprunghaft gestiegen, berichten Goldhändler. In Österreich fürchten viele außerdem Schockwirkungen der Griechenland-Krise der EU auf die nahen Märkte in Ost-, Mittel- und Südosteuropa.

Umso überraschender, dass das Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (WIIW) in seiner aktuellen Prognose zu diesen Märkten zu einem überraschend positiven Ausblick kommt, der die alarmierenden Meldungen der letzten Wochen relativiert. Nach Ansicht der Wiener Forscher wird sich in den meisten neuen EU-Staaten Ost-, Mittel- und Südosteuropas das Wirtschaftswachstum heuer und in den nächsten Jahren beschleunigen. Das wiederum wird sich positiv auf die Wirtschaftslage in Österreich auswirken.

Auch Kroatiens Wirtschaft dürfte heuer zulegen

Grund für den optimistischen Ausblick ist unter anderem der leichte Wirtschaftsaufschwung in den USA und in Japan, der auch der Wirtschaft in Europa Auftrieb gibt - und damit auch den meisten Ost-, mittel- und südosteuropäischen EU-Ländern. Nach Einschätzung des WIIW wird sich das Wirtschaftswachstum der elf neuen EU-Mitglieder heuer auf 3 Prozent beschleunigen, nach 2,8 Prozent im Vorjahr. Am stärksten wachsen werden demnach Polen (3,5 Prozent), das lange krisengeschüttelte Ungarn und dessen Nachbar Rumänien (jeweils 3,0 Prozent).

Überraschend ist, dass sogar Kroatiens Wirtschaft, die bisher geschrumpft ist, heuer mit +0,4 Prozent leicht zulegen dürfte. Die wirtschaftliche Erholung erfolge damit um ein Jahr früher als erwartet, sagen die WIIW-Ökonomen. Wesentlicher Faktor sei dabei die Erholung in der Eurozone.

Unterstützend wirkt dabei vor allem auch der Umstand, dass die EU-Kommission in ihrer Prognose vom Mai erwartete, dass die Länder der Europäischen Union wieder stärker investieren und ihre Austeritätspolitik zurückfahren.

Düstere Aussichten in den Ländern der GUS

"In Russland, Weißrussland und der Ukraine sind die Aussichten aber düster", erklärte Mario Holzner, der stellvertretende Direktor des Instituts, bei der Vorstellung der Studie in Wien. In den Ländern der "Gemeinschaft Unabhängiger Staaten" (GUS) werde die wirtschaftliche Entwicklung heuer zum Teil noch schlechter ausfallen als bisher erwartet, rechnen die WIIW-Experten.

Die Wirtschaftsleistung der Ukraine dürfte heuer demnach um 10,5 Prozent einbrechen, nachdem sie im Vorjahr bereits um 6,8 Prozent geschrumpft ist. Und auch im kommenden Jahr ist keine Erholung in Sicht. Gleichzeitig soll das Preisniveau in der Ukraine um die Hälfte steigen. Die Wirtschaft Russlands (-3,8 Prozent) und Weißrusslands (-3,0 Prozent) wird heuer schrumpfen.

Der Krieg in der Ostukraine sei unter anderem für den wirtschaftlichen Absturz in den Ländern der GUS verantwortlich, meint Holzner. "Das Hauptproblem aber ist, dass der Erdölpreis so tief gefallen ist", sagte der Experte im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die russische Wirtschaft sei völlig vom Ölpreis abhängig. "Und Weißrusslands Wirtschaft hängt wiederum vollkommen von der russischen ab", führte Holzner aus.

Die niedrigen Rohstoffpreise, die für Russland ein Problem sind, sind für die Länder der Eurozone allerdings ein Segen und wirken als Wachstumsmotor. Als Rohstoff-Importeur profitiert die Eurozone von den niedrigen Erdölpreisen. Auch am Westbalkan haben sich die Wachstumsaussichten bis zum Jahr 2017 verbessert, wenn auch nicht so stark.

Österreichs Wettbewerbsfähigkeit sei durch die zunehmende Produktivität der mittel-, ost- und südosteuropäischen Länder nicht gefährdet, meint das WIIW, denn die Löhne würden dort noch stärker wachsen. Allerdings sei das Lohnniveau in der Region nach wie vor niedrig, "es werden noch immer Durchschnittslöhne von sieben-, achthundert Euro bezahlt", führte Holzer aus. Bei den österreichischen Güterexporten sei zwar die Bedeutung der direkten Exporte nach Deutschland zurückgegangen, aber jene der Länder Ost-, Mittel- und Südosteuropas - insbesondere Polens, Tschechiens, der Slowakei, Ungarns und Sloweniens - sei gestiegen.

Griechischer Bankrott "kein Einschlag eines Kometen"

Was aber, wenn Griechenland bankrottgeht? Holzner räumt ein, dass es ungewiss sei, wie sich ein solches Szenario auswirken würde. "Vermutlich müsste man mit einer stärkeren Volatilität des Euro-Wechselkurses rechnen. Es könnte sein, dass einige griechische Tochterbanken im Ausland in Schwierigkeiten geraten könnten. Das wäre insbesondere ein Problem für Albanien, Bulgarien, Mazedonien, Rumänien und Serbien." Allerdings seien diese Banken in diesen Ländern registrierte nationale Banken und würden den dortigen Eigenkapital-Bestimmungen unterliegen.

Griechenland sei auch ein "einigermaßen wichtiger Exportpartner für Albanien, Bulgarien und Mazedonien", aber für keines dieser Länder sei Griechenland der wichtigste Handelspartner. Auch ein möglicher Staatsbankrott Griechenlands wäre also "nicht mit dem Einschlag eines Kometen zu vergleichen", so Holzner.

Eine weitere positive Nachricht für Österreichs Wirtschaft kam aus dem Risikomarkt Ukraine: Die Entscheidung Kiews vom vergangenen Mai, Österreich auf eine "schwarze Liste" von Ländern zu setzen, die als Steueroasen betrachtet werden, wurde laut dem Außenministerium in Wien wieder revidiert. Heimische Unternehmen sind somit steuerlich gegenüber anderen Konkurrenten nicht mehr benachteiligt.