Für Akquisitionen wäre Kapitalerhöhung möglich. | Post muss sich stärker mit ihrem Image befassen. | "Wiener Zeitung": Gibt es eine Personengruppe, die Sie noch weniger mögen als Gewerkschafter?
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Georg Pölzl: Dass ich Gewerkschafter nicht mag, das stimmt nicht. Ich muss da etwas klarstellen.
WZ: Na ja, Sie haben in einem Interview kürzlich gesagt, "manche Gewerkschafter" seien "Scharlatane" und "Betrüger".
Pölzl: Ich habe gesagt, dass in einem Unternehmen, das mit schwierigen Themen konfrontiert ist, Populismus das Schädlichste und Gefährlichste ist, weil es dann nicht mehr um Sachdiskussionen geht. Ich weiß, dass das einigen Wirbel ausgelöst hat, daher möchte ich ganz ausdrücklich sagen, dass ich niemals die Gewerkschaftsbewegung als Ganzes gemeint habe. Ich habe ganz im Gegenteil mit der Sozialpartnerschaft und mit der Gewerkschaft als wichtige Säule, auch in der Vergangenheit wirklich sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich bin überzeugt davon, dass wir die schwierigen Themen, die vor uns liegen, nur gemeinsam lösen können. Es ist überhaupt nicht in meinem Sinne, die Gewerkschaftsbewegung generell anzugreifen.
WZ: Das klingt jetzt sehr nach Zurückrudern.
Pölzl: Das ist überhaupt kein Zurückrudern, weil es mir wirklich darum geht, mit den Menschen, die in ihrer überwiegende Mehrheit guten Willens sind und denen das Unternehmen am Herzen liegt, positive Gespräche zu führen. Ungeachtet der sicherlich unterschiedlichen Standpunkte sind dazu alle herzlich eingeladen. Ich sage jedem: Ihr könnt zu jeder Tages- und Nachtzeit an jedem Ort mit mir über jedes Thema reden.
WZ: Wer sind dann die "Betrüger" und "Scharlatane"?
Pölzl: Alle, die Populismus und Parolen vor Sacharbeit und inhaltliche Diskussion stellen. Da muss sich jeder einzelne fragen, ob er zu dieser Gruppe gehört, aber ich verallgemeinere oder generalisiere nicht.
WZ: Aber klar ist, dass sich Ihre Kritik auf Arbeitnehmervertreter bezogen hat. Anders war das nicht interpretierbar.
Pölzl: Ich möchte da keine Gruppe besonders herausnehmen, sondern meine alle Menschen, mit denen wir keine vernünftigen, sachlichen Diskussionen führen können. Wir haben schwierige Themen zu lösen. Das geht nur mit guten Diskussionen. Und jede Polarisierung schadet einer guten Diskussion.
WZ: Es wird Sie aber nicht verwundern, dass die von Ihnen vorgenommene Bestellung von Franz Nigl zum neuen Personalchef der Post, von den Belegschaftsvertretern nicht unbedingt als Signal für eine kooperative und partnerschaftliche Diskussions- und Problemlösungskultur gesehen wird.
Pölzl: Das war meine Personalentscheidung. Aber wie kommen sie zu diesem Urteil? Sprechen Sie mit den Menschen, die mit ihm gearbeitet haben, dann werden Sie vielleicht ein anderes Bild bekommen. Für mich war relevant, jemanden zu haben, der ein absoluter Profi und Kenner der Materie ist.
WZ: Mit Materie meinen Sie ein mehrheitlich verstaatlichtes Unternehmen, dessen Beschäftigte zu einem großen Teil Beamte sind?
Pölzl: Genau. Natürlich ist die Beamtenthematik für uns relevant, aber auch alle anderen Personalfragen sind wichtig. Franz Nigl ist ein absoluter Fachmann und ich gehe davon aus, dass er sich nichts zuschulden kommen lassen hat. Das wäre für mich ein Ausschlusskriterium gewesen. Er ist jemand, auf den ich mich verlassen kann. Schlussendlich trage ich die Letztverantwortung für alle Dinge, die wir gemeinsam machen.
WZ: Ein Unternehmen, das nicht wächst, sondern in seinen wesentlichen Geschäftsfeldern schrumpft und daher eine geschäftspolitische Defensivstrategie einschlagen muss, wird seinen Mitarbeitern aber mittelfristig keine besonders interessanten Perspektiven bieten können.
Pölzl: Deshalb darf die Österreichische Post kein defensives Unternehmen sein, sondern muss pro-aktiv agieren. In unserer Strategie haben wir uns daher auch das Ziel gesetzt, mittelfristig wieder zu wachsen. 2010 wird uns das noch nicht gelingen, in den Jahren danach dann aber - abhängig von den konjunkturellen Rahmenbedingungen - hoffentlich schon. In diesem Zusammenhang ist es ganz, ganz wichtig, dass wir uns auf jene Wachstumsfelder konzentrieren, wo wir aufgrund unserer Marktposition Chancen haben oder wo wir über Innovationen neue Geschäftsfelder erschließen können. Eines dieser Felder, wo wir eine starke Marktposition und sehr hohes Vertrauen unserer Kunden haben, ist das österreichische Briefgeschäft.
WZ: Meinen Sie das wirklich: Das Briefgeschäft ist ein Wachstumsfeld?
Pölzl: Insgesamt wird dieser Bereich natürlich nicht wachsen. Aber es gibt Segmente in diesem Geschäft, die den Rückgang im Kerngeschäft teilweise kompensieren können und für die wir neue Produkte und neue Dienstleistungsangebote entwickeln müssen. Wir können es nicht als gottgegeben hinnehmen, dass das Briefgeschäft rückläufig ist. Wir müssen darauf durch Innovation und gute Ideen reagieren. Im Paket- und Logistikgeschäft sind wir dafür auch im vergangenen Jahr sehr erfolgreich gewesen und haben unsere Marktposition ausbauen können. Wir wissen, das sich das Verhalten unserer Kunden verändert, aber wir sitzen auf einem Schatz: einem hohen Bekanntheitsgrad der Marke Post und dem hohen Vertrauen unserer Kunden.
WZ: Andrerseits sind viele Kunden aber mit dem Service der Post nicht wirklich zufrieden.Pölzl: Das stimmt nicht. Wenn wir 96 Prozent aller Briefsendungen am Tag, nachdem Sie aufgegeben wurden, zustellen, dann ist das ein extrem hohes Qualitätsniveau. Das wird aber als selbstverständlich betrachtet. Aufmerksam wird man nur, wenn einmal ein Brief im falschen Postkasten liegt. Von den acht Millionen Briefsendungen, die wir täglich an vier Millionen Haushalte liefern, gehen ein paar daneben. Jeder einzelne Fehler ist zu viel, aber es ist schlichtweg falsch zu behaupten, die Menschen seien mit den Postdienstleistungen unzufrieden.
WZ: Bei jedem großen Unternehmen funktioniert die Mehrzahl der angebotenen Dienstleistungen oder verkauften Produkte klaglos. Andernfalls wäre das Unternehmen wohl rasch bankrott. Im Gegensatz zu anderen Unternehmen werden über Fehlleistungen Post aber ganze Serien an Zeitungskolumnen geschrieben.
Pölzl: Wie das dann medial verarbeitet wird, ist eine spannende Thematik. Ich gebe ihnen Recht, dass wir uns dem Thema Image vermutlich stärker widmen müssen. Es geht genau um das Bild in der Öffentlichkeit. Ich weiß schon: Die Kritik an dem, was wir gut kennen und teilweise auch lieb gewonnen haben, ist oft sehr groß, wenn einmal etwas nicht funktioniert. Aber wenn sie mit Menschen über das Thema Post sprechen, dann werden Sie in Summe ein durchaus positives Bild bekommen.
WZ: Was möglicherweise auch daran liegen könnte, dass dem Respekt einflößenden Generaldirektor nicht alles in schonungsloser Deutlichkeit geschildert wird.
Pölzl: Das kann schon sein. Deswegen verlasse ich mich auch nicht auf mein Bauchgefühl, sondern wir machen laufend Kundenumfragen. Wenn Sie mich vor einem Jahr gefragt hätten, was ich von der Österreichischen Post halte, hätte ich auch gesagt: Es ist ein altmodisches Unternehmen und verstaubt. Das ist so ein bisschen das Image. Ich kann ihnen aber sagen, das Unternehmen ist alles andere als altmodisch und verstaubt. Gehen sie in ein Logistik- oder Verteilzentrum. Da sehen sie modernste Technologie. Oder reden sie mit den vielen Menschen in der Zustellung, die Positives zu berichten haben. Wir haben ein Riesenpotenzial an Vertrauen bei den Menschen. Da gibt es eine hohe Zufriedenheit und eine Vertrauensbeziehung. Denn der Postler ist einer der wenigen Menschen, denen ich sogar im Bademantel aufmache.
WZ: Dass ist aber ein Spezialservice für den Generaldirektor, dass bei Ihnen die Post zugestellt, wenn Sie morgens noch zuhause sind?
Pölzl: Keineswegs. Bei mir kommt der Postler kurz vor acht Uhr, und da ich meistens spät zu arbeiten aufhöre und nicht immer schon um acht oder neun Uhr im Büro sein muss, ist das für mich manchmal durchaus erlebbar.
WZ: Das unvorteilhafte Image der Post hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass das Unternehmen in der Öffentlichkeit nahezu ausschließlich mit zwei Themen präsent ist: der Schließung von Postämtern und dem Abbau von Mitarbeitern.
Pölzl: Natürlich steckt das Unternehmen in einem massiven Umbau, der auch das Personal betrifft. Aber die Post hat kein negatives Image. Sie wird allerdings manchmal unter ihrem Wert geschlagen. Die Medien sowie die Öffentlichkeit interessieren eben vor allem die negativen Themen.
WZ: Ist nicht unfair, das auf die Medien abzuschieben? Es sind vor allem die Bürgermeister und Bewohner kleinerer Gemeinden, die es nicht so toll finden, wenn ihre Postfilialen zugesperrt werden.
Pölzl: Ich schiebe das nicht auf die Medien ab. Aber es ist schon so: Oft ergeben nur schlechte Nachrichten eine gute Geschichte. Aber wir genießen eben die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Ob das proportional zur Wichtigkeit ist, bleibt dahingestellt. Wir verzeichnen aber in manchen Themen auch eine positive Entwicklung in der Wahrnehmung - etwa beim Postpartner-Konzept. Da gelingt es immer besser klar zu machen, dass wir uns zur flächendeckenden Postversorgung bekennen und die Zahl der Poststellen im laufenden Jahr um etwa 200 erhöht haben. Es gibt also keine Schließungsdiskussion mehr.
WZ: In Ihrem früheren Managerleben waren Sie unter anderem in der Telekombranche, also einer Wachstumsbranche, tätig. Jetzt sind Sie in einem Unternehmen tätig, das restrukturiert werden muss. Wo liegen die gravierendsten Unterschiede in den jeweiligen Managementaufgaben?
Pölzl: Sie unterscheiden sich natürlich grundlegend. Aber als Manager müssen wir immer mit Veränderungen umgehen. Auch die Telekommunikationsindustrie hat die Wachstumsphase bereits hinter sich. Das ist vielleicht noch schwieriger, wenn so eine Wachstumsperiode zu Ende geht. Aber diese Boomphase mit 200 bis 400 Prozent Wachstum im Jahr war schon eine unglaublich spannende Herausforderung, die natürlich auch Spaß gemacht hat. Da hat man keine Restrukturierungsthemen, sondern die große Herausforderung, wie man dieses Volumenwachstum bewältigt. Und klarerweise macht es im Gegensatz dazu nicht wirklich Vergnügen, sich mit Themen wie Mitarbeiterabbau beschäftigen zu müssen.
WZ: Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Privatwirtschaft und Ihrem jetzigen Job in einem mehrheitlich staatlichen Unternehmen besteht vermutlich darin, dass Ihr nunmehriger Mehrheitsaktionär nicht ausschließlich nach wirtschaftlich motivierten Kriterien agiert?
Pölzl: In Summe sind meine Erfahrungen sehr positiv. Solange ich hier bin, hat mir noch kein Politiker zu sagen versucht, wie ich dieses Unternehmen führen soll. Man muss aber differenzieren: Als Eigentümer hat der Staat das gleiche Interesse wie jeder andere Aktionär. Andererseits ist die Österreichische Post ein ganz wesentlicher Teil der Infrastruktur des Landes. Und bei solchen Unternehmen wie der Post, Telekommunikationsunternehmen oder Energieunternehmen setzt der Staat rechtliche Rahmenbedingungen, was auch seine Aufgabe ist. Wenn es politischer Wille ist, dass es eine flächendeckende Postversorgung gibt, dann ist das zu akzeptieren. Da kann man nur schauen, dass man von Seiten des Unternehmens klar macht, was das für Konsequenzen hat. Aber solche Themen sind mir überhaupt nicht neu. T-Mobile Österreich war und ist massiv von gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen beeinflusst.
WZ: Aber T-Mobile wird von der Infrastrukturministerin nicht die Schließung bestimmter T-Mobile-Shops untersagt.
Pölzl: Das nicht. Aber es gibt wesentliche Entscheidungen, beispielsweise die so genannten Interconnection Fees zwischen den Telekommunikationsunternehmen, die einen massiven Eingriff in das Ergebnis eines Unternehmens darstellen. Also tun wir nicht so, als wäre ein Unternehmen, das nicht im Staatsbesitz ist, frei in seinen Entscheidungen. Je wichtiger ein Unternehmen für ein Land ist, und Post-Infrastruktur ist wichtig, desto größer ist das politische Interesse, hier mitzugestalten. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Man kann auch in keinem großen Unternehmen Personalthemen lösen, ohne sich mit dem Sozialpartner auseinanderzusetzen. Auch das ist kein Spezifikum der Österreichischen Post. Aber natürlich haben wir hier ein paar Zusatzthemen, die aus der Geschichte des Unternehmens resultieren.
WZ: Eines dieser Themen lautet Beamte. War es klug, dass die Post mit beamteten Mitarbeitern an die Börse gegangen ist?
Pölzl: Das ist eine Frage, die ich mir nicht stelle. Ich bin nicht im Geschäft der Vergangenheitsbewältigung, sondern im Geschäft der Zukunftsgestaltung.
WZ: Manchmal kann man eine ausweichende Antwort als Nein interpretieren.
Pölzl: Schauen Sie, würde das Unternehmen heute privatisiert und Sie würden mich fragen: Wünschen Sie sich, Beamte bei der Privatisierung mitzubekommen? Dann wäre meine Antwort: Ich wünsche mir, dass ich diese Mitarbeiter bekomme, deren Leistung ich brauche. Aber ich würde mir flexiblere Rahmenbedingungen wünschen. Sich mit dieser Frage aber rückwärtsgerichtet zu beschäftigen, ist müßig. Ich stelle mir eine einzige Frage: Wie bringen wir dieses Unternehmen in eine erfolgreiche Zukunft?
WZ: Ist es überhaupt sinnvoll, dass die Post an der Börse ist?
Pölzl: Ja. Weil die Börsenöffentlichkeit auch immer ein sehr starkes Regulativ und eine Herausforderung für unternehmerisches Handeln ist. Das Feedback unserer Aktionäre, unserer Anteilseigner, ist sehr wichtig. Man erfährt, wie das Unternehmen von außen gesehen wird.
WZ: Das Instrument der Kapitalerhöhung, das die Börse anderen Unternehmen etwa zur Finanzierung von größeren bietet, ist Ihnen allerdings verschlossen.
Pölzl: Uns stehen alle Möglichkeiten offen. Die Österreichische Post ist erstens ein kerngesundes Unternehmen mit einer sehr guten Bilanz, die durchaus die Möglichkeiten bietet, ohne Kapitalaufstockung Akquisitionen zu tätigen. Zweitens, sollten wir ein solches Vorhaben, das die Österreichische Post zu einem nachhaltig profitableren Unternehmen macht, in Sicht haben und wirklich durchführen wollen, bin ich überzeugt davon, dass wir auch die öffentliche Hand überzeugen könnten, einer wie immer gearteten Kapitalmaßnahme zuzustimmen.
WZ: Sie sind tatsächlich der Ansicht, dass eine sozialdemokratisch geführte österreichische Bundesregierung einer mehrheitlichen Privatisierung der Österreichischen Post zustimmen würde?
Pölzl: Was ich gesagt habe, ist, wenn wir eine spannende und aussichtsreiche Akquisition in Sicht haben, dann werden wir die Finanzierung dafür aufbringen können. Die Österreichische Post hatte in der Vergangenheit kein Liquiditätsproblem und wird auch in der Zukunft keines haben.
WZ: Die Frage war, ob der Post das Instrument einer Kapitalerhöhung grundsätzlich zur Verfügung steht oder nicht.
Pölzl: Natürlich stehen einem börsenorientierten Unternehmen alle Möglichkeit offen. Auf absehbare Zeit brauchen wir aber keine. Die Österreichische Post ist ein kerngesundes Unternehmen mit liquiden Mitteln, die uns Akquisitionen in sinnvollen Größenordnungen durchaus ermöglichen.
Zur Person:
Georg Pölzl wurde am 24. April 1957 in Graz geboren und studierte - nach der HTL-Matura in Maschinenbau und Elektronik - and der Montanuniversität Leoben Erdölwesen und promovierte in Lagerstättenphysik. Bereits während des Studiums war Pölzl als freier Mitarbeiter beim Unternehmen Heinemann Oil Technology tätig. Von 1987 bis 1993 war er als Unterberater bei McKinsey & Co in München und Mailand tätig, 1993 wurde er in den Vorstand des Maschinen- und Anlagenbauers Binder & Co AG berufen. 1998 übernahm er den Vorsitz der Geschäftsführung des Mobilfunknetzbetreibers T-Mobile Austria, der damals noch unter der Marke max.mobil firmierte. 2007 wechselte er als Sonderbeauftragter des Vorstands zur Deutschen Telekom, wo er für die Umsetzung eines Restrukturierungsprogramms verantwortlich war. Mit Jänner 2009 wurde Pölzl zum Sprecher der Geschäftsführung von T-Mobile Deutschland bestellt. Seit Oktober 2009 fungiert er als Generaldirektor der Österreichischen Post AG.