Zum Hauptinhalt springen

Postenschacher in der EU?

Von Waldemar Hummer

Kommentare
Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Die Würfel sind gefallen und haben mit Herman van Rompuy und Catherine Ashton personell offensichtlich nur einen Minimalkompromiss ergeben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 14 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Obwohl sich der Europäische Rat auf seiner Sondersitzung am 19. November im Konsensus-Verfahren - dabei wird nicht formell abgestimmt, sondern nur die Absenz einer Gegenstimme festgestellt - auf zwei Kandidaten für das Amt seines Präsidenten und des Hohen Vertreters für Außen- und Sicherheitspolitik geeinigt hat, verstummt die Kritik an der Wahl von van Rompuy und Ashton nicht.

Selbst einige der Staaten, die diesen Konsensus mitgetragen haben, äußern mehr oder weniger unverhohlen ihren Unmut über das mangelnde "politische Gewicht" dieser beiden Amtsträger.

Dazu muss aber Folgendes festgestellt werden: Zum einen ist die Wahl beider ohne Gegenstimme vorgenommen worden, obwohl nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon die einschlägigen Bestimmungen des EU-Vertrages (Artikel 15 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1) dafür lediglich einen Beschluss des Europäischen Rates mit qualifizierter Mehrheit verlangen würden. Zum anderen mögen die Kandidaten zwar farblos sein, können aber keinesfalls als inkompetent abgetan werden.

Van Rompoy hat innerhalb eines Jahres als belgischer Regierungschef eine hoffnungslos zerstrittene innenpolitische Landschaft befrieden können, und Ashton hat nicht nur bei ihrem Hearing im Europäischen Parlament vor der Übernahme des Außenhandelsportfolio in der Kommission mit 538 gegen 40 Stimmen bei 63 Enthaltungen eine souveräne Leistung geboten, sondern diese auch in ihrer Funktion als Kommissarin verstetigen können. Im Übrigen ist für das protokollarisch höchste Amt der EU, nämlich den Präsidenten des Europäischen Rates, überhaupt kein qualitatives Anforderungsprofil vorgegeben, während vom Hohen Vertreter, der auch als Vizepräsident der Kommission fungiert zumindest ein besonderer "Einsatz für Europa" verlangt wird.

Ganz allgemein muss bei solchen Designierungen im Schoß der EU aber immer daran gedacht werden, dass dabei ein Kompromiss über 27 nationale Egoismen und Begehrlichkeiten hinweg erzielt werden muss, sodass alleine schon das Erreichen eines einhelligen Ergebnisses als Erfolg anzusehen ist.

Es ist dabei aber nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern - ganz im Gegenteil dazu - das größte gemeinsame Vielfache erzielt und die sachrationalste Entscheidung getroffen worden, die unter den gegebenen Rahmenbedingungen erreicht werden konnte.

Van Rompoy wird als Präsident des Europäischen Rates, der zunächst ab 1. Jänner 2010 für eine Amtszeit von zweieinhalb Jahren - mit der Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl - gewählt wurde, vor allem organisatorische Funktionen zu übernehmen haben.

Er präsidiert den Europäischen Rat, bereitet in Verbindung mit dem Rat "Allgemeine Angelegenheiten" und dem Präsidenten der Kommission die Tagungen des Europäischen Rates vor und legt dem Europäischen Parlament nach jeder Tagung des Europäischen Rates einen Bericht vor.

Er nimmt auf seiner Ebene und in seiner Eigenschaft - unbeschadet der Befugnisse des "Hohen Vertreters" - die Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) wahr.

Ashton, als Hoher Vertreter für die Außen- und Sicherheitspolitik der Union, wurde auf fünf Jahre gewählt und tritt ihr Amt am 1. Dezember 2009 an. Sie leitet die GASP operativ und führt diese im Auftrag des Rates durch. Sie handelt dabei ebenso im Bereich der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Sie führt den Vorsitz im Rat "Auswärtige Angelegenheiten" und steht dem neuen "Europäischen Auswärtigen Dienst" vor.