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Es ist später Vormittag in einer unübersichtlichen Wiener Neubausiedlung. Ein junger Mann in ausgebeulten Jeans, unrasiert und langen, zerzausten Haaren, der an den deutschen Schlagersänger Guildo Horn erinnert, steigt aus einem Kleinbus mit "Hermes"-Aufkleber und irrt suchend zwischen den Stiegeneingängen herum.
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Wenige Meter entfernt lädt der Paketzusteller der Post seine Rodel voll. Der Hermes-Bote ruft ihm im breiten Dialekt zu: "Heast Oida, wo isn die Zwara-Stiagn?" Die Replik des Postlers kommt rasch und knapp: "Heast Oida - suach das söba!"
Die beiden Zusteller sind sich im Wortwechsel scheinbar ebenbürtig, man schenkt sich nichts. Keine Zeit für Höflichkeiten, denn die Zeit läuft. Diese Szene, die sich vor nicht allzu langer Zeit am Stadtrand zutrug, spiegelt den Zusammenprall zweier konträrer Unternehmenshistorien wider. Auf der einen Seite das deutsche Logistikunternehmen Hermes, das im Herausfordern von Ex-Monopolisten schon Erfahrung hat. Auf dem Heimatmarkt ist Hermes mit 13.000 Paketstellen der größte Logistiker nach der Deutschen Post.
Hermes Österreich gibt sich betont schlank, mit niedrigen Personalkosten, flexibel und setzt auch auf die Preisschiene. Man sei auf jeden Fall günstiger als die Österreichische Post, betont Hermes-Chef Hanjo Schneider immer wieder.
Die größte Herausforderung für den deutschen Logistiker, der den Götterboten zum Namenspatron gewählt hat, wird wohl die Sicherstellung einer dauerhaft flächendeckenden Zustellung in Österreich.
Hier liegt die Stärke der Post. "Every day, every door" ist einer der liebsten Sprüche von Post-General Anton Wais, wenn es um die Liberalisierung geht. Für den gelben Ex-Monopolisten waren die Zeiten schon besser. Die Marktöffnung nagt das Kerngeschäft weg, immer noch ist etwa jeder zweite Postler in Österreich ein pragmatisierter Beamter, die Fixkosten sind hoch.
Vor diesem Hintergrund ist der Börsenneuling Post dabei, sich selbst neu zu erfinden. Auf der Suche nach neuen Stärken baut die Post jetzt auf das Paketgeschäft, allerdings nicht mit dem Endkunden, sondern zwischen Unternehmen (B2B). Dieses umfasst in Österreich pro Jahr rund 60 Millionen Pakete, im Moment entfallen davon erst ungefähr 5 Prozent auf die heimische Post. Bis 2009 will man hier auf 10 Prozent verdoppeln, das heißt: Hier muss die Post anderen Playern Großkunden wegschnappen, so wie ihr im Endkundengeschäft gerade Quelle Versand weggeschnappt wurde.
Versand in Osteuropa
Und nicht zuletzt tragen die Auslandstöchter dazu bei, dass der Post etwas in die Kassen gespült wird.
In Südost- und Osteuropa steckt der Versandhandel noch in den Kinderschuhen. Hier will die Post sowohl mit Werbemitteln, also Katalogdruck und -verteilung, als auch im Paketversand gut aufgestellt sein, wenn der Markt in Schwung kommt. Davon wird abhängen, ob die Post ihren Aktionären auch nach dem Fall des Briefmonopols 2011 Erfolgsnachrichten bringen kann.