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Posthume Abrechnung mit Chinas KP

Von Andreas Landwehr

Politik

Memoiren des gestürzten Ex-Parteichefs Zhao posthum veröffentlicht. | Peking. (dpa) Vier Jahre nach dem Tod von Chinas 1989 entmachteten Ex-KP-Chef Zhao Ziyang wurden nun in den USA dessen Memoiren veröffentlicht. Zhao rechnet darin mit den Hardlinern ab, die ihn gestürzt haben, um die Demokratiebewegung niederschlagen zu lassen.


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Die heiklen Enthüllungen kommen ausgerechnet zum 20. Jahrestag des Massakers auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens (Tienanmen-Platz) am 4. Juni 1989 heraus, dem hunderte Studenten zum Opfer fielen. Das Buch trägt den englische Titel "Prisoner of the State" (Gefangener des Staates). Darin entwirft Zhao, der nach seinem Sturz den Rest seines Lebens unter Hausarrest verbrachte, auch eine Vision von einem besseren, weil demokratischen China mit Pressefreiheit und unabhängiger Justiz.

Seinen Gegenspieler, Li Peng, der heute in Chinas KP noch Fäden zieht, beschreibt Zhao als feigen und inkompetenten Regierungschef, dessen harte Haltung die Lage 1989 eskalieren ließ. Auch der mächtige "Pate" Deng Xiaoping, der als Vorsitzender der Militärkommission letztendlich verantwortlich für den Einsatz der "Volksbefreiungsarmee" war, kommt schlecht weg. Der Beschluss, den Ausnahmezustand auszurufen, sei allein von Deng getroffen worden - illegalerweise, weil die Parteistatuten so etwas gar nicht erlaubten, sagt Zhao. Der Ausnahmezustand erwies sich als verheerende Fehlkalkulation, weil er noch größere Bürgerproteste auslöste, sagt Zhao Ziyang, der da schon entmachtet war.

"Kein Sturzversuch"

Vergeblich habe er in den Wochen zuvor die Darstellung der Proteste als antikommunistische "Verschwörung" zurückgewiesen. "Ich habe zu jener Zeit gesagt, dass die meisten Leute uns nur auffordern, Fehler zu korrigieren und nicht versuchen, unser politisches System zu stürzen." Sein Bemühen, den Dialog zu suchen, zu vermitteln und eine Kommission zu gründen, um Korruptionsvorwürfen nachzugehen, hätten Li Peng und andere Hardliner aber sabotiert.

In seinen Memoiren kritisiert Zhao den heutigen autoritären Weg Chinas und plädiert für eine Liberalisierung. "In Wirklichkeit demonstriert das westliche parlamentarische Demokratiesystem die größte Lebendigkeit", so Zhao. Ohne ein Umdenken werde es unmöglich sein, die "anormalen" Verhältnisse in Chinas Marktwirtschaft wie Bereicherung durch Macht, Marktverzerrungen, Korruption und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich zu lösen.

Mit schriftlichen Aufzeichnungen begann der Parteichef schon zu Beginn seines Hausarrests in den 90er Jahren. Später sprach er diese auf Tonband-Kassetten, die als Peking-Oper getarnt wurden. Nach seinem Tod erhielt sein ehemaliger Sekretär Bao Tong das Material, das nun auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.

Peking reagierte auf die Enthüllungen auf gewohnte Art: In den Medien wurden sie totgeschwiegen, im Internet Diskussionsbeiträge zensiert.