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Die Bürger fordern immer vehementer direkte Mitsprache in politischen Angelegenheiten. Gleichzeitig erteilt eine wachsende Zahl den institutionalisierten Beteiligungsformen eine Absage. Die Bürger müssen sich nicht für ihre mitunter widersprüchlichen Signale rechtfertigen, das ist das Privileg des Souveräns. Politische Repräsentation macht das nicht einfacher, was aber auch nicht der Sinn von Demokratie ist.
Was die Verweigerung der Bürger angeht, so sind die Wahlen zur Österreichischen Hochschülerschaft (ÖH), die am Donnerstag endeten, sicherlich ein extremes Beispiel. Und genau deshalb bezeichnend.
2013 nutzten gerade noch 28 Prozent der Studierenden ihr Recht auf Mitbestimmung. Diesmal könnte die Wahlbeteiligung noch wesentlich tiefer fallen, obwohl genau das etliche Neuerungen verhindern sollten. Auch bei den Arbeiterkammer- und Wirtschaftskammerwahlen mit 40 beziehungsweise 38 Prozent geht der Trend hartnäckig nach unten. Und bei der EU-Wahl vom Vorjahr lag die Wahlbeteiligung in Wien mit 43 Prozent nur unwesentlich darüber.
Wie tief darf die Wahlbeteiligung sinken, damit sich der demokratische Vertretungsanspruch einer Institution noch aufrechterhalten lässt? Eine allgemeingültige Antwort darauf gibt es nicht. Die Studentenvertretung ist allerdings gefährlich nahe an dieser Grenze, wenn nicht schon darüber hinaus. Wenn die eigene Klientel ihre Vertretungskörperschaft so hartnäckig mit strukturellem Desinteresse straft, muss das irgendwann zu Konsequenzen führen. Und zwar bei den Vertretenden in Bezug auf ihr eigenes Selbstverständnis.
Im Zuge der Finanzkrise gelangte das Schlagwort von der "marktkonformen Fassaden-Demokratie" zu einiger Prominenz. Die Entkoppelung konkreter (Krisen-)Politik vom mehrheitlichen Bürgerwillen zeigt tatsächlich eine Achillesferse unserer Zeit auf. Nicht weniger bedrohlich für die Glaubwürdigkeit des Systems ist allerdings die wachsende Zahl potemkinscher Demokratie-Dörfer, in denen die überwiegende Mehrheit der Bürger ihre Vertreter mit Ignoranz behandeln.
Unmut bewirkt immerhin Widerstand, der wiederum zu neuen Machtverhältnissen führen kann. Gleichgültigkeit ist dagegen die Höchststrafe in einer Demokratie. Auch wenn die Betroffenen einfach weitermachen, als wäre nichts geschehen.