Zum Hauptinhalt springen

Powell aus dem Abseits zurück

Von Herbert Winkler

Politik

Washington - Eine Mannschaft ungleicher Männer und eine Frau scharen sich in diesen Tagen um US-Präsident George W. Bush. Vorher mag es allen Dementis zum Trotz Positions- und gar Machtkämpfe unter ihnen gegeben haben, doch nun ziehen die Mitglieder des so genannten Kriegskabinetts an einem Strang. Das hat der internationale Terrorismus möglich gemacht. Er hat ihnen allen ein klares Feindbild gegeben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

"Krieg", schrieb Colin Powell einmal, "sollte die Politik des letzten Mittels sein". Mit dem Namen des Außenministers ist die Doktrin verbunden, mit aller Macht und geringsten Verlusten den Gegner zu schlagen. Im Golfkrieg gegen den Irak 1991 konnte er es als damaliger Generalstabschef in die Tat umsetzen. Als er ins Außenministerium kam, fragten sich Skeptiker, ob er in der Lage sein werde, "Gewalt als staatsmännisches Instrument anzudrohen und einzusetzen".

Dies hat Powell mit einem klaren Ja beantwortet. Doch als Mann mit einer Berufsgeschichte als "diplomatischer Militär" ist er erkennbar auch ein Motor der umfassenden Strategie gegen den Terrorismus. Sie setzt mindestens so sehr auf wirtschaftliche und politische Machtmittel wie Waffengewalt.

Powell, Sohn jamaikanischer Einwanderer, war in den vergangenen Wochen so sehr in den Hintergrund getreten, dass er in den Medien bereits als Verlierer des Ringens um die Gunst des Präsidenten eingestuft wurde. Gelassen und pointiert tritt er jetzt wieder täglich in Erscheinung und nimmt seinen Platz ein bei der Suche nach einer internationalen Koalition gegen den Terror. Die ebenfalls farbige 46 Jahre alte Nationale Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice, die ihrem Landsmann den Rang abzulaufen schien, strahlt nicht mehr als Einzige am außenpolitischen Firmament.

Aber auch die "Falken" in Bushs Beraterstab - Vizepräsident Richard Cheney (60) und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld (69) - sprengen den Rahmen des Teamworks nicht. Ihre Sprache in der Öffentlichkeit ist drastischer als die Powells, und am aggressivsten drückt sich ohnehin der Präsident selbst aus. Cheney, seit Jahrzehnten herzkrank, war ähnlich wie Powell in den letzten Wochen eher unauffällig. Nun tritt er erneut als bedeutender "Macher" in Erscheinung. Den Befehl zur Evakuierung des Kapitols gab Cheney, der im bombensicheren Einsatzraum des sonst ebenfalls geräumten Weißen Hauses operierte.

Der Kreis der engen Bush-Berater wird von seinem Stabschef Andrew Card (53), den Generälen Henry Shelton und Richard Myers (beide 59) sowie dem Justiz-Tandem aus Justizminister John Ashcroft (58) und Robert Mueller (56) ergänzt. Der frühere General-Motors-Manager Card war der Erste, der Bush die Schreckensnachricht über die Flugzeugentführungen zuflüsterte. Ashcroft, bei seiner Ernennung als Erzkonservativer von den Liberalen wütend angegriffen, ist nun der Mann am rechten Platz: Er muss an der Heimatfront schärfere Gesetze gegen Terroristen und eine damit verknüpfte strengere Überwachung durchsetzen, die auf Kosten der gewohnten Bürgerrechte gehen werden. Auch Mueller hat den Ruf eines knallharten Polizisten. Generalstabschef Shelton wollte Ende September in den Ruhestand treten. Myers ist sein designierter Nachfolger, ein Kenner von "Star Wars", der von den Terroristen unsanft auf den Boden irdischer Gefahren zurückgeholt wurde.