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Powerfrauen

Von Angela Thierry

Reflexionen
Geste der Stärke oder Hilfeschrei? Powerfrauen wollen immer perfekt sein.
© Fotolia

Sind Powerfrauen eine Illusion oder die gelungene Selbstverwirklichung der Weiblichkeit? Die Gesellschaft hat | ihren enormen Perfektionsanspruch in das Image der Frauen seit den Achtziger Jahren scheinbar fest verankert. Viele Frauen sind schon mit einem enormen Anspruch ihrer Eltern aufgewachsen: "Unsere Tochter ist besonders intelligent, hübsch und tüchtig. Sie macht alles richtig, ist überall beliebt."


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Aber stimmt das mit der Realität der sogenannten "Powerfrauen" überein? Wie erleben sie sich selbst und den Spagat den sie zwischen Kindern, Job, Mann, Haus und Hund machen müssen?

Die Ansprüche an die Superfrau sind klar umrissen. Sie soll liebende Mutter sein, treue, aufopfernde Ehefrau, fleißige Arbeitsbiene, sportlich, schlank und schön. Frauen sind eingezwängt in ein enges Korsett, das nicht selten das Gefühl aufkommen lässt, nicht wirklich gut genug zu sein. Demgegenüber zeigt die gesellschaftliche Entwicklung, dass viele Frauen berufstätig sein müssen, weil viele Beziehungen in die Brüche gehen, manchmal auch deshalb, weil Frauen berufstätig sein müssen. Es ist also ein Teufelskreis.

Schlechtes Gewissen. Auch wenn die Powerfrau es scheinbar erfolgreich schafft, alle Bereiche abzudecken, bleibt oft tief innen ein Gefühl der Unzufriedenheit.

Es ist für Frauen unmöglich, über einen längeren Zeitraum hinweg perfekt zu funktionieren. Dem Vollkommenheitsanspruch kann auf Dauer nicht Genüge getan werden. Wenn Frauen das trotzdem versuchen, stellen sich in der Folge oft Krankheit oder das Gefühl des "Ausgepowertseins" ein.

Ein echtes Leitbild für den Begriff Powerfrau gibt es nicht. Als Ideal stellt es die meisten Frauen unter großen Stress, weil zum alten Rollenbild der Frau - die Schöne, die gute Hausfrau und Mutter, verantwortlich für das emotionale Wohlergehen der gesamten Familie - heute noch das neue der erfolgreichen Karrierefrau dazugekommen ist.

Und was meinen erfolgreiche Frauen zum Thema? Desiree Schindler, Leiterin des ÖBB Kundeninformationsmanagements: "Powerfrauen sind überall zu finden. Den Begriff sehe ich nicht ausschließlich an einen beruflichen Erfolg geknüpft. Hausfrauen können ebenso Powerfrauen sein wie eine Hillary Clinton. Für mich sind Powerfrauen selbständige Frauen, die ihren eigenen Weg gehen. Sie dürfen zweifeln, ohne selbst zu verzweifeln.

Mein beruflicher Werdegang war sicher mit Power verbunden. Ich bin den Weg nach oben´ mit viel Fleiß und Respekt vor den Leistungen anderer Menschen gegangen. Er war anstrengend, obwohl ich viel Unterstützung bekommen habe. Ich habe ja nicht einmal Matura, wurde aber im Laufe meines beruflichen Werdegangs nicht mehr danach gefragt. Da ich keine Kinder habe, war und ist für mich die Vereinbarkeit von Job und Privatleben kein Problem. Mein Lebensgefährte wusste immer, dass mir der Beruf sehr wichtig ist. Mit etwas Organisation konnte ich alles gut unter einen Hut bringen. Dazu kommt, dass ich Beruf und Privatleben nie streng getrennt habe. Insgesamt meine ich, dass es Frauen in einer männer-dominierten Welt nach wie vor schwerer haben."

Dr. Anneliese Stoklaska, heute Abteilungsleiterin und Ministerialrätin im Wissenschaftsministerium, begann ihre Karriere als Sekretärin an der Technischen Universität, absolvierte ein Geschichtsstudium und schaffte dann den Sprung ins Wissenschaftsministerium.

"Ich halte mich selbst nicht für eine Powerfrau, ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal genau, wie dieses wundersame Power-Wesen ist oder sein sollte.

Ich habe heute das, was man eine gute Position nennt. Ich kann selbständig arbeiten, eigenverantwortlich gestalten und bekomme Anerkennung und Wertschätzung für das, was ich tue. Meinen Erfolg schreibe ich in erster Linie einer Mischung aus Pragmatismus, Einsatzfreude und Anpassungsfähigkeit zu, wobei sich das Mischungsverhältnis immer wieder ändert. Mir ist Erfolg nicht in die Wiege gelegt worden, ich habe mich immer wieder sehr anstrengen müssen, um weiterzukommen und musste viele Hindernisse überwinden. Ich habe aber aus Erfahrungen gelernt, sowohl aus guten als auch aus schlechten. In meiner Familie habe ich immer als Gscheiterl´ gegolten, in meinem Freundeskreis als goscherte´ Frohnatur und in meinem beruflichen Umfeld haben mir diese Eigenschaften sehr genützt. Die sind angeboren und leider nicht lehr- oder lernbar. Generell ist es immer besser, optimistisch und offen auf Menschen zuzugehen und Probleme in erster Linie als Herausforderung zu betrachten. Tüchtige, erfolgsorientierte Frauen haben es auch heute nicht leicht, denn sie werden nach wie vor mit anderen Maßstäben gemessen als Männer. Sie gewinnen aber sukzessive an Terrain und haben eine enorme Vorbildwirkung auf ihre Geschlechtsgenossinnen".

Daniela Schwarz, Kommerzialrätin, Journalistin, eigene PR- und Werbeagentur: "Mit dem Begriff der Powerfrau kann ich nicht viel anfangen. Es ist ein plakativer Ausdruck, der nichts aussagt, denn er wird keiner Frau gerecht. Unsere Gesellschaft sieht in den Powerfrauen nur die dynamischen, erfolgreichen, die sichtbaren Frauen. Wenn es um wirkliche Power geht, hat die unscheinbare Alleinerzieherin, die voll berufstätige Frau, die zusätzlich alte Verwandte pflegt, oder die Bäuerin, deren Mann auf Montage fahren muss, um das Überleben zu sichern, sehr viel mehr Kraft als alle Tussis in den Top-Etagen. Mir geht es um Selbstbestimmtheit und Selbstbewusstsein von Frauen. Ich darf als starke Frau´ auch Schwächen haben und zeigen dürfen, ich muss nicht immer wie ein Hutschpferd lächeln und will nicht an meiner schlecht sitzenden Frisur gemessen werden (erinnern Sie sich an Angela Merkel.....?). Ich sehe eine wichtige Aufgabe darin, andere Frauen zu fördern und ihnen Mut machen."

Dr. Brigitte Ettl, Psychotherapeutin und Wirtschaftscoach: "Powerfrauen machen drei wesentliche Schritte: Sie überlegen, welche Lebensbereiche in der aktuellen Lebensphase für sie wichtig sind - Beruf, Partnerschaft, Familie, Freundinnen. Dabei vergessen sie nicht auf ihre ganz persönlichen Bedürfnisse wie Bewegung, Ernährung, Spiritualität. Diese Frauen überlegen bewusst, was es für sie persönlich heißt, in den jeweiligen Bereichen erfolgreich zu sein. Solche Überlegungen befreien vom Druck, irgendwelchen Klischees entsprechen zu müssen und bringen bei der Umsetzung von Zielen in den einzelnen Bereichen eine gute Balance. Immer mehr Frauen entwickeln heute ihr individuelles Lebenskonzept - sie definieren für sich selbst, wann welcher Lebensbereich für sie Vorrang hat - und was sie wirklich erreichen wollen.

Für mich persönlich bedeutet das beispielsweise, dass ich - um beruflich erfolgreich zu sein - die Sicherheit einer fixen Anstellung verlassen habe und dabei bewusst in Kauf nehme, dass ich bei einem großen Arbeitspensum auf ausgedehnte Freizeitaktivitäten verzichten muss."

Männer und Powerfrauen. Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass perfekt scheinende Frauen nicht immer die begehrtesten sind, denn gerade Schwächen machen liebenswert und attraktiv.

Auch umgekehrt ist die Partnersuche manchmal ein Problem, denn erfolgsverwöhnte Frauen suchen meist einen Mann, der tolle Eigenschaften und eine hohe Position hat, denn an sich selbst stellen sie ja auch perfektionistische Ansprüche. Es ist erwiesen, dass Männer ab 40 sehr erfolgreiche Frauen oft als Bedrohung empfinden, denn sie bekommen langsam das Gefühl, dass ihnen keine Domäne mehr übrigbleibt. Powerfrauen verstehen etwas von Finanzen, von Technik, sie sind gut im Sport und können hervorragend Auto fahren.

Brigitte Ettl erlebt in ihrer Praxis, dass Männer derzeit viel unsicherer sind als Frauen. Sie haben heute viel mehr Schwierigkeiten dabei, ihre einzelnen Lebensbereiche in Balance zu bringen. Sie messen ihren beruflichen Erfolg nach wie vor fast ausschließlich an Position und Kontostand, suchen aber gleichzeitig nach Wegen, attraktive Partner und liebevolle Väter zu sein. Sobald sie einen eigenständigen Weg gefunden haben, kommen sie dann auch mit "Powerfrauen" besser zurecht. Konflikte gibt es immer nur dort, wo sie sich von traditionellen Rollenbildern nicht lösen können.

Zukunftsmusik. Auch die Göttin Powerfrau wird im Laufe der Entwicklung gestürzt und vielleicht durch menschlichere Formen des Frauseins ersetzt werden. Schwächen könnten dann zugelassen und eingestanden werden. Das wird nicht nur für Frauen selbst, sondern auch für ihr Gegenüber eine entlastende menschliche Funktion haben.