7,1 Mrd. Euro schwerer Auftrag für Siemens und IBM. | 17.000-seitiger Vertrag legt Rechte und Pflichten fest. | Unterschiedliche Kultur des Militärs und der privaten Partner als Risiko. | Bad Neuenahr/Reinbach. Am größten PPP (Public Private Partnership), das es je gegeben hat, versucht sich derzeit der deutsche Technologiekonzern Siemens. Gemeinsam mit dem amerikanischen Computerspezialisten IBM und dem deutschen Militär lagert der Technologiekonzern unter dem Namen Herkules die gesamte administrative IT (Informationstechnologie) der deutschen Bundeswehr aus. Die militärische IT hingegen - alles, was mit Einsätzen im Feld zu tun hat - verbleibt beim deutschen Staat.
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Ob das Projekt die Einsparungsziele erreicht, die sich der Staat ausrechnet, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob die unterschiedlichen Arbeitsweisen der Bundeswehr und der privaten Unternehmen harmonisiert werden können. Denn wenn es nicht gelingt, die zwei Kulturen zu einer neuen zu verschmelzen, ist das Projekt in Gefahr. Jürgen Frischmuth, Vorstand der Siemens-IT-Sparte, versucht die Kooperation positiv zu sehen: "Wir kennen die Kultur und die anders geführte Struktur unseres Kunden Bundeswehr mittlerweile sehr gut."
Ängste abbauen
Im Krisenfall - etwa einem Krieg - könne die Bundeswehr das PPP wieder an sich ziehen und direkt führen. Allerdings gehe es bei diesem Vertragspassus eher darum, beim Staat Ängste vor PPP-Projekten abzubauen. Der Auftrag sei der größte, den Siemens bisher im IT-Bereich erhalten habe. Man wolle in Deutschland stärker wachsen als der Markt für IT-Aufträge aus dem öffentlichen Sektor, sagte Frischmuth.
Das Risiko eines Fehlschlages ist gering: "Alles ist überschaubar, denn wir machen bei der deutschen Bundeswehr etwas, was wir schon x-mal bei privaten Unternehmen gemacht haben", so Frischmuth.
"Herkules ist ein Leuchtturmprojekt", erklärt Rudolf Bauer von IBM Deutschland. Das Projekt könnte entscheidend für die Zukunft und das Image der PPP-Modelle in Deutschland sein, so Bauer.
Insgesamt werden in der Verwaltung der Bundeswehr 140.000 Computerarbeitsplätze eingerichtet. Weiters stellt die Betreibergesellschaft BWI (BWI Informationstechnik GmbH), an der Siemens und IBM die Mehrheit halten, 300.000 Telefonanschlüsse und 15.000 Mobiltelefone bereit. Rund 60 Prozent des Geschäfts entfallen auf Siemens, 40 Prozent bleiben für IBM. Das US-Unternehmen kümmert sich stärker um das Service, Siemens überwiegend um die Geräte. Der Staat ist an der Betreibergesellschaft mit 49,9 Prozent beteiligt. Das PPP ist auf zehn Jahre angelegt, endet also im Jahr 2016, wobei es eine Verlängerungsoption gibt. Das Großprojekt, dessen Details in einem Vertrag mit 17.000 Seiten festgeschrieben wurden, hat insgesamt ein Volumen von 7,1 Mrd. Euro.
Es bindet rund ein Zehntel des deutschen Militärbudgets.
Wissen: PPP-/ÖPP-Projekte
PPP (Public Private Partnership) oder ÖPP (Öffentlich-Private Partnerschaft) bezeichnet die Mobilisierung privaten Kapitals und Fachwissens zur Erfüllung staatlicher Aufgaben. PPP geht in vielen Fällen mit einer Teil-Privatisierung von öffentlichen Aufgaben einher.
Es handelt sich in der Regel um eine langfristig vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft, bei der die erforderlichen Ressourcen (Know-how, Betriebsmittel, Kapital, Personal etc.) von den Partnern zum gegenseitigen Nutzen in eine gemeinsame Organisation eingebracht werden.
Abzugrenzen ist PPP von reinen Finanzierungsgeschäften ohne zusätzliche Vereinbarungen.