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Über die Feiertage und bis 6. Jänner besteht noch die Chance, die schönsten und bekanntesten Bibelhandschriften und Bibelkommentare der Nationalbibliothek zu sehen: Es handelt sich um den Kernbestand mit etwa 50 Prachtbänden, die zur Hälfte in den letzten 20 Jahren nicht gezeigt wurden. Anlass ist das zu Ende gehende Bibeljahr 2003. Nach der Ausstellung bleibt der die Form
einer Riesenbibel nachempfindende Katalogband "Im Anfang war das Wort. Glanz und Pracht illuminierter Bibeln" im Taschen-Verlag, der diese Schätze quer durch das Zeitalter der von Hand geschriebenen und gemalten Codices (vom frühen Christentum über das Mittelalter bis in die Neuzeit) auch in besonderen Details zu Hause studieren lässt.
Sechs Abschnitte gliedern den Rundgang durch den Prunksaal, wobei armenische, äthiopische und auch Handschriften aus Judentum und Islam inbegriffen sind: am Anfang steht die hebräische Schriftkultur, die in den griechischen und mit der Vulgata des Hieronymus in den lateinischen Bibeltext mündet. Im Oval des Mittelraumes liegen die prächtigsten Bibeln, die von der Romanik bis zur Spätgotik entstanden sind. Nicht nur kaiserliche oder kirchliche Auftraggeber, auch schon einige Private spielen dabei eine Rolle; mit dabei die Bibel des Königs Wenzel aus dem Ende des 14. Jahrhunderts und die Riesenbibeln von Admont, vom Nonnberg oder St. Florian.
Im dritten Abschnitt sind Bibelkommentare der Kirchenväter, aus der Scholastik und weitere vielschichtige Interpretationen wie die allegorische oder typologische zu finden, aber auch eine Pergamentrolle von sechs Meter Länge, die als Lehrtafel für den Stammbaum und das Leid Christi von der Schöpfung bis zum Martyrertod der Apostel reicht. Sie wurde in Italien im 15. Jahrhundert geschaffen. Historienbibeln in Altfranzösisch, Mittelhochdeutsch u. a. profanisierte Bibeltexte bilden einen fünften Abschnitt. Den Abschluss bilden teils zerschnittene Evangeliare, die in der Liturgie verwendet wurden, oder Exoten wie Übersetzungen ins Syrische, Arabische oder Äthiopische - auch solche des Judentums und der Ostkirchen, die meist sehr spät datiert werden.
Den Katalogband im Überformat haben 17 AutorInnen der Handschriftensammlung, der Universität (Institut für Kunstgeschichte-Pächtarchiv) und der Akademie der Wissenschaften erstellt - Andreas Fingernagel, der auch als Kurator des besonderen Ausstellungskonzepts fungiert, ist der Herausgeber. Es wird auch von der mühevollen Schreibpraxis der Illuminatoren berichtet, über Herkunft und Stil der oft verschiedenen Hände in einem Band. Den Cover ziert ein besonders ansprechendes Bild der Weltschöpfung aus der "Pariser Taschenbibel", einem Mitte des 13. Jahrhunderts vor dem "Boom" der Stundenbücher entstandenen Kleinformat.
Die Nationalbibliothek besitzt diese Werke durch große adelige Sammlungen wie die des Prinzen Eugen, durch Eingänge von Klosterbibliotheken (Auflösungen unter Joseph II.) und Gelehrte, die stifteten. Die wirtschaftliche Not der Zwischenkriegszeit im 20. Jahrhundert brachte Werke wie die Admonter Riesenbibel als Notverkauf, leider wanderten natürlich gerade damals viele Codices auch nach Amerika und so schwört jeder amerikanische Präsident auf ein Bibelexemplar aus dem Kloster St. Paul im Lavanttal. Ein ganz prominentes Werk aus der Sammlung, die Wiener Genesis aus dem 6. Jahrhundert, ist aus restauratorischen Gründen nicht mit ausgestellt, sonst aber findet sich alles, was das "Buchmalereiherz" der BesucherInnen begehrt.