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Unternehmen sparen sich Löhne. | Forderungen teils bewusst überhöht. | Schwierige Suche nach den richtigen Gegenmaßnahmen. | Wien. Welche Arbeitnehmer würden bei einer Firma anheuern, von der sie schon im Vorhinein wissen, dass sie ihnen keine Löhne zahlen wird? Allzu oft solche, die davon ausgehen, dass letztendlich jemand anderer finanziell einspringen wird. In Österreich sorgt der sogenannte Insolvenz-Ausfallgeld-Fonds (IAF), der aus den Dienstgeberbeiträgen zur Sozialversicherung gespeist wird, dafür, dass bei der Pleite eines Unternehmens die Belegschaft nicht auf offene Ansprüche verzichten muss. Firmen, die ihre eigene Insolvenz fix einplanen, können sich so auf betrügerische Weise die Löhne ihr Mitarbeiter von der Allgemeinheit zahlen lassen - und zwar immer und immer wieder.
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Nicht selten wird dieses Vorgehen von den betroffenen Arbeitnehmern zumindest geduldet. Bestimmte Leute würden etwa in dubiosen Kaffeehäusern angeworben, heißt es dazu in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). In der Bauwirtschaft sei diese - dort sehr häufige - Form des Sozialbetrugs teilweise von Südosteuropa aus gesteuert.
"Es ist natürlich seltsam, wenn Arbeitnehmer von einer bedenklichen Baufirma zur nächsten wandern", meint eine mit den Verhältnissen in der Branche vertraute Person (Name der Redaktion bekannt). Einerseits würden viele, die sonst keine Chance auf einen Job haben, die Augen vor den betrügerischen Absichten der Dienstgeber schließen, andererseits scheint auch Missbrauchsversuchen durch die Arbeitnehmer selbst Tür und Tor geöffnet. Gibt jemand vor, dass ihm sein insolventer Arbeitgeber Lohn schuldet, ist es nämlich kaum nachprüfbar, ob nicht vorher unter der Hand Teilzahlungen geflossen sind. Diese würden natürlich die Ansprüche an den IAF mindern.
Zahlreiche Indizien
Ein ähnliches Problem stellen angeblich geleistete, aber nicht aufgezeichnete Überstunden dar. Hier liegt allerdings die Beweislast beim Arbeitnehmer, der Unterstützung durch den IAF beantragt. Grundsätzlich auffällig sei, wenn das - nie bezahlte - Entgelt weit über dem Kollektivvertrag vereinbart worden ist, meinen Kenner der Materie. So würden Forderungen bewusst überhöht. Der Missbrauchsverdacht liege nahe, wenn ein derartiger IAF-Antrag abgelehnt wird, gegen die Ablehnung aber kein Einspruch erfolgt. Viele der betroffenen Arbeitnehmer würden letztendlich davor zurückschrecken, sich ans - in einem solchen Fall zuständige - Arbeits- und Sozialgericht zu wenden.
Als weiteres Indiz für eine Betrugsabsicht sehen Experten, wenn ein Arbeitsverhältnis zu lange aufrecht erhalten wird, ohne dass Lohn gezahlt wird. Vor allem im familiären Bereich - etwa wenn die Ehefrau des Geschäftsführers Ansprüche an den IAF stellt - habe sich hier aber durchaus eine strenge Judikatur entwickelt. Bewusstes Zusammenwirken von Dienstnehmer und Dienstgeber zulasten des Fonds muss dennoch immer erst im Einzelfall nachgewiesen werden.
"Es sind eher die Arbeitgeber, die das System ausnutzen", meint Karin Ristic, Geschäftsführerin des Insolvenzschutzverbands von Arbeiterkammer und ÖGB. Während in Wien primär die Baubranche betroffen sei, würde es in anderen Bundesländern ähnliche Probleme bei Transportunternehmen und in der Gastronomie geben. Derartiger Betrug sei überall dort leicht möglich, wo Firmen Aufträge an ein unüberblickbares Geflecht aus Subunternehmen weiterleiten. Mitunter sei es für Arbeitnehmer unmöglich zu wissen, für welche Firma sie tatsächlich tätig sind, so Ristic.
Hoffen auf neues Gesetz
Gegenüber dem IAF können nur Ansprüche aus den letzten sechs Monaten vor der Insolvenz geltend gemacht werden. Branchenkennern zufolge dauert aber ein durchschnittliches Beschäftigungsverhältnis am Bau ohnehin nur mehr zwei bis drei Monate. Unternehmen gehen pleite, ohne je einen Cent an Löhnen oder Sozialversicherungsabgaben gezahlt zu haben, und dennoch haben die Arbeitnehmer ein Recht auf Auszahlungen aus dem IAF.
Bei der WKO gibt man zu bedenken, dass es oft schwierig sei, "schwarze Schafe" zu erwischen, ohne die "weißen" zu beeinträchtigen. Die Kammer hofft auf das Gesetz zur Auftraggeberhaftung, das vor kurzem den Ministerrat passiert hat.
Dieses sieht vor, dass der Auftraggeber im Zweifelsfall 20 Prozent der Auftragssumme direkt bei der Sozialversicherung hinterlegt. Damit soll verhindert werden, dass sich betrügerische Unternehmen ihre Personalkosten gänzlich aus dem IAF finanzieren lassen, dadurch billiger produzieren können und prächtige Geschäfte mit der Pleite machen. Schließlich sind es alle anderen Firmen, die über die Sozialversicherungsbeiträge den IAF speisen und unter dem Wettbewerbsnachteil zu leiden haben.
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