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Prag: Machtpoker in Rot

Von Michael Schmölzer

Politik

Wenn sich die tschechischen Abgeordneten heute im Parlament versammeln, werden die oppositionellen Kommunisten (KSCM) über Fortbestand oder Sturz der Regierung von Stanislav Gross entscheiden. Der junge Premier muss sich einem Misstrauensvotum stellen und die KSCM, die nie wirklich mit ihrer autoritären Vergangenheit gebrochen hat, wird mit ihren 41 Abgeordneten zum Zünglein an der Waage.


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Das Verhältnis zwischen Befürwortern und Gegnern einer Unterstützung der Regierung Gross sei "50:50", sagte KSCM-Chef Miroslav Grebenicek im tschechischen Radio. Das Exekutivkomitee der Kommunisten tagte gestern, der Ausschuss werde den Abgeordneten vorläufig nur "Empfehlungen" geben, hieß es. Damit ließ Grebenicek das Schicksal Gross' bis zur heutigen Parlamentsabstimmung offen.

In Prag wird spekuliert, dass die Kommunisten nicht gegen die Regierung stimmen werden. Möglicherweise werden sie den Plenarsaal verlassen und damit das Kabinett Gross am Leben erhalten. Denn für die KSCM ist eine sozialdemokratisch geführte Regierung das geringere Übel. Würden sie gegen Gross stimmen, dann wären Neuwahlen unausweichlich - die aller Wahrscheinlichkeit nach die oppositionelle konservativen ODS gewinnen würde. Sie liegt in den Umfragen unangefochten voran. Den Kommunisten ist die ODS aber "ein Horror", wie KSCM-Chef Miroslav Grebenicek zuletzt freimütig zugab.

Dass Gross' Sozialdemokraten (70 Abgeordnete) gegen den von der ODS (57 Stimmen) eingebrachten Misstrauensantrag stimmen, gilt als fix. Für Gross dürfte auch die rechtsliberale kleine Regierungspartei Freiheitsunion mit ihren zehn Parlamentariern stimmen. Die Christdemokraten (KDU-CSL), die die Regierung verlassen haben, werden Gross das Misstrauen aussprechen. Die Kommunisten mit ihren 41 Delegierten entscheiden somit über Erfolg oder Scheitern des Votums.

"Kuhhandel"

Die Kommunisten geben sich bis zuletzt trotz ihrer Präferenzen für die Sozialdemokraten unentschlossen. Unter politischen Beobachtern ist von einem "Kuhhandel" die Rede. So sollen die durch den Abgang der Christdemokraten frei werdenden Ministerposten mit Personen besetzt werden, die den Kommunisten genehm sind. In diesem Zusammenhang wird etwa der frühere Außenminister Jan Kavan als Nachfolger von Cyril Svoboda genannt. Außer Svoboda sollen noch Transportminister Milan Simonovsky und Umweltminister Libor Ambrozek zurücktreten. Auch sozialdemokratische Ministerposten dürften im Falle einer Regierungsunterstützung durch die Kommunisten frei werden. Mindestens drei würden eine Abhängigkeit der CSSD von der KSCM als inakzeptabel ablehnen. Die Nachrichtenagentur CTK zitiert Quellen, wonach es sich dabei um Industrieminister Milan Urban, Bildungsministerin Petra Buzkova sowie Kulturminister Minister Pavel handeln soll.

Die KSCM ist der direkte Nachfolger der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, die bis 1989 am Ruder war. Die KSCM lehnt in ihrem Programm den "Kapitalismus" ab und will den "Sozialismus" aufbauen. Sie ist auch gegen eine pauschale Verurteilung der kommunistischen Ära. Nicht alles, was vor 1989 geschehen ist, sei schlecht gewesen. Die wenig reformwilligen Kommunisten bestehen noch großteils aus den alten Kadern. Dennoch sind sie in Tschechien erfolgreich. Bei den Parlamentswahlen 2002 gewannen sie 18,5 Prozent der Stimmen und wurden zur drittstärkste Kraft.