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Wahlverlierer bleiben in Koalition an der Macht. | Prag. Ein wahres Husarenstück ist der regierenden tschechischen Bürgerpartei (ODS) in Prag gelungen. Obwohl die Konservativen die Kommunalwahlen Mitte Oktober, mit einem Wählerschwund von 30 Prozent und einem Stimmanteil von 23,1 Prozent verloren hatten, werden sie weiterhin in der Moldaumetropole an der Macht bleiben.
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In nur einer Nacht handelte die ODS zusammen mit den Sozialdemokraten einen Koalitionsvertrag aus, den sie zum 21. Jahrestag der "Samtenen Revolution" den verblüfften Pragern präsentierte. Prompt erklärten 63 Prozent der Bürger in einer Umfrage, die "Koalition der Paten" - wie das Bündnis inzwischen schon genannt wird - käme einer Verachtung des Wählers gleich. Gewählt hatten sie nämlich mehrheitlich die TOP09 und deren Spitzenkandidaten Zdenek Tuma.
Der ehemalige Gouverneur der tschechischen Nationalbank, den mehr als die Hälfte der Prager gerne als ihren Oberbürgermeister sehen würde, muss diesen Posten dem Frauenarzt Bohuslav Svoboda (ODS) überlassen. Kein Wunder, dass 67 Prozent der Befragten sich durch das Entstehen der großen Koalition von der Politik verachtet fühlen.
Auf Distanz ging ebenso der Interims-Vorsitzende der Sozialdemokraten, Bohuslav Sobotka: "Ich unterstütze diese Koalition nicht", erklärte er. Auch der Prager Spitzenkandidat der CSSD, Jiri Dienstbier Jr., nahm lieber von seinen Parteigenossen aus der Rathausfraktion Abstand und kehrt der Kommunalpolitik den Rücken. Die große Koalition sei "nicht fair unseren Wählern gegenüber".
Inzwischen wird eifrig spekuliert, ob das Bündnis nicht nur dem Wähler, sondern auch den Wahlen zum Trotz entstanden ist: "Unsere Informationen bestätigen, dass beide Parteien schon lange vor dem Votum entschlossen waren, eine Koalition im Namen von Interessen einzugehen", sagte Miroslav Kalousek, die graue Eminenz der TOP09. Um welche "Interessen" es sich handelt, daran lässt er keine Zweifel. "Es ist die Koalition des Korruptionskartells", meint Kalousek.