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Prager EU-Vorsitz: Ausrutscher, Eklats, glimpfliches Ende

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Bilanz über sechs Monate. | Sarkozy zollt Tschechen Respekt. | Brüssel. In Tschechien dürfte es ein allgemeines Aufatmen geben, wenn in einer Woche der sechsmonatige EU-Vorsitz zu Ende geht. Immerhin legten die Tschechen noch einen halbwegs reibungslosen EU-Gipfel hin, der die Möglichkeit eines Inkrafttretens des Lissabonner Vertrags am Leben erhält und Weichen in Richtung einer Reform der europäischen Finanzmarktordnung stellte.


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"Die tschechische Präsidentschaft endete gut", sagte der französische Präsident Nicolas Sarkozy. Was davor war, daran könne er sich nicht mehr so genau erinnern.

In dieser Zeit war Tschechien mit wirklich großen Brocken wie der israelischen Offensive in Gaza, dem Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine und der an Fahrt gewinnenden Wirtschaftskrise zumindest aufs Äußerste gefordert. Platz für eigene Akzente wie Fortschritte bei der EU-Annäherung der Westbalkanländer blieb kaum.

Probleme wurden seit Jänner nur wenige gelöst. Ausrutscher bei Auftritten tschechischer Politiker und innenpolitische Grabenkämpfe schafften es dafür in die internationalen Schlagzeilen. Die Reibereien auch innerhalb seiner eigenen ODS fegten Mirek Topolanek schließlich aus dem Amt des Regierungschefs und damit zur Halbzeit vom EU-Chefsessel. "Ungewöhnlich, um nicht zu sagen einmalig" sei die Situation, hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier den Kollaps der tschechischen Regierung im April kommentiert.

"Weg in die Hölle"

Davor kam Topolanek aber noch dazu, dem US-Präsidenten Barack Obama öffentlich auszurichten, dass dessen Krisenmanagement in der weltweiten Rezession der "Weg in die Hölle" sei. Und der ausdrücklich EU-skeptische tschechische Präsident Vaclav Klaus hatte bei seinem Auftaktbesuch im EU-Parlament die Entscheidungsprozesse der Union mit jenen in der Sowjetunion verglichen. Da hatte sich gerade die Aufregung darüber gelegt, dass die Tschechen im EU-Ratsgebäude ein Kunstwerk über Klischees der EU-Länder aufgehängt hatten, in dem Bulgarien als Toilette dargestellt worden war. Als schon der parteilose Statistiker Jan Fischer als tschechischer Übergangspremier im Dienst war, kam heraus, dass Topolanek bei einer ausgelassenen Veranstaltung in der Villa des italienischen Premiers Silvio Berlusconi auf Sardinien aufgefallen war.

Fischer wirkte am EU-Gipfel ziemlich nervös. Doch am Ende gab es Garantien für Irland, eine einstimmige Einigung auf eine weitere Amtszeit von Jose Manuel Barroso als Kommissionspräsident und den Auftrag an die EU-Kommission, Anfang Herbst konkrete Gesetzesvorschläge für eine neue Finanzmarktordnung vorzulegen.

Ein "relativ erfolgreiches Ende" attestierte der Brüsseler Think Tank "European Policy Center" den Tschechen am Montag. Die Übergangsregierung unter Fischer und vor allem die Professionalität von deren Außenminister, Ex-EU-Botschafter Jan Kohout, habe für ein halbwegs geglücktes Finish gesorgt.