Linke Zerwürfnisse erschweren Suche in Tschechien nach neuer Koalition.
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Prag. Selbst für gestandene Politiker ist dies rekordverdächtig: In nur etwa zweieinhalb Minuten schaffte es Michal Hasek, der stellvertretende Vorsitzende der tschechischen Sozialdemokraten (CSSD), elfmal zu lügen. Ohne mit der Wimper zu zucken erklärte er live im Fernsehen gebetsmühlenartig, dass er am Abend der Parlamentswahlen nicht bei Staatspräsident Milos Zeman um die Macht im Land gerungen und gegen Parteichef Bohuslav Sobotka intrigiert habe. Das sei eine "fáma", sagte Hasek immer wieder, ein "Gerücht".
Tags darauf musste sich der 38-jährige Karrierepolitiker - neben seiner Rolle in der CSSD hat er weitere 29 Funktionen, unter anderem ist er Abgeordneter und Hauptmann des Kreises Südmähren - Asche auf sein schütteres Haupt streuen. Ja, er habe gelogen, gab Hasek kleinlaut zu. Nichts anderes blieb ihm übrig, denn inzwischen waren immer mehr Details bekannt über das geheime Treffen auf Lany, dem barocken Schlösschen westlich von Prag und traditionellen Erholungssitz der Präsidenten.
Nichts anderes als einen innerparteilichen Putsch gegen Parteichef Sobotka stellte offenbar das Treffen dar. Dieser sollte als Vorsitzender abmontiert werden.
Nicht Michal Hasek war aber laut Beobachtern der Strippenzieher. Sondern Zeman selbst. Der Präsident, der als rachsüchtig gilt, kann es Sobotka offenbar nicht verzeihen, dass dieser bei den Präsidentschaftswahlen im Jahre 2003 (damals bestimmte das Parlament das Staatsoberhaupt) so wie viele andere Sozialdemokraten gegen den damaligen Übervater der Partei, Milos Zeman, gestimmt hat.
Damit verurteilten sie Zeman zu einer zehnjährigen Trotzphase im böhmisch-mährischen Hochland. Anfang des Jahres ist ihm dann aber eine erfolgreiche Rückkehr gelungen, als er direkt vom Volk zum Staatspräsidenten gekürt wurde. Nun werfen Zeman jedoch viele Kommentatoren und politische Gegner vor, dass es dem Präsidenten vor allem um eines ginge: die Erweiterung der eigenen Macht.
Doch das will nicht so recht gelingen. Schuld daran ist vor allem der Wähler. Der hat Zemans Plänen einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht, indem er seine Kreuzchen nicht so platziert hat, wie der es geplant hatte. Der einstige Prognostiker Zeman hatte damit gerechnet, dass die Sozialdemokraten mit den Kommunisten eine starke Front bilden würden. Lange hatten Umfragen den beiden linken Parteien einen Stimmenanteil von weit über 40 Prozent vorausgesagt.
Ein Milliardär räumte ab
Und Zeman selbst hatte sich seit Monaten bemüht, seine "Partei der Rechte der Bürger/Zemanisten" zum Königsmacher dieser Wahlen zu machen. Dabei setzte er seine Überparteilichkeit als Staatsoberhaupts aufs Spiel: Die Wahlplakate mit dem Konterfei des Präsidenten, mit denen die Zemanisten das ganze Land zukleisterten, komplementierte das Staatsoberhaupt mit einer präsidialen Tour durch die Regionen. Wenn die Zemanisten stark genug sein würden, um zusammen mit den Kommunisten eine sozialdemokratische Minderheitsregierung zu halten, so hoffte Zeman, könnte er CSSD-Chef Sobotka schnell mit seinen Verbündeten Hasek ersetzen. Damit hätte er seine Macht bis in die Regierung hinein erweitert.
Doch dann kam Andrej Babis und hat Zemanisten, Sozialdemokraten und Kommunisten die Protestwähler genommen. Die "Aktion unzufriedener Bürger" (ANO) des Milliardärs erhielt knappe 19 Prozent der Stimmen, während die CSSD sich mit nur 21 anstelle der anfangs prognostizierten 33 bis 35 Prozent zufriedengeben musste. Die Zemanisten erhielten gerade mal 1,5 Prozent und wurden vom Präsidenten schneller fallen gelassen als eine heiße Kartoffel. Sie sollen seinen Namen aus ihrer Bezeichnung nehmen, ließ Zeman ihnen ausrichten.
Und auch der Putsch gegen Sobotka und dessen Ablöse durch Hasek scheinen gescheitert. Seitdem das Geheimtreffen von Zeman mit Hasek, bei dem auch andere Vertreter der Sozialdemokratie anwesend waren, bekannt geworden ist, stellt sich die Parteibasis immer mehr auf die Seite Sobotkas.
Das macht seine eigentliche Aufgabe, eine Regierungsmehrheit zu finden, aber auch nicht leichter. Wahrscheinlich und pragmatisch ist eine Koalition aus CSSD, ANO und Christdemokraten. Sie würde im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus eine bequeme Mehrheit von 112 Sitzen haben. Zumindest offiziell tut sich aber noch nicht viel.
Zwar wird aus den Reihen von ANO immer wieder verlautbart, man wolle eigentlich lieber keine Regierungsverantwortung übernehmen. Gleichzeitig erklären ANO und Christdemokraten gemeinsam, dass sie entweder zusammen oder gar nicht in die Regierung gehen würden, sich aber auch vorstellen könnten, eine CSSD-Minderheitsregierung zu unterstützen. Die könnte sich mit ihren 50 Sitzen aber nur auf ein Viertel der Mandate im Abgeordnetenhaus stützen, wäre also äußerst schwach.
Strittige Themen zwischen den potenziellen Koalitionspartnern gibt es auch so genug. Die Kirchenrestitution zum Beispiel, der die Sozialdemokraten kritisch gegenüberstehen, die Christdemokraten aber voll unterstützen. Oder die Frage von Steuererhöhungen, die für ANO nicht in Frage kommen.
Zeman stellt Bedingungen
Und dann ist da ja noch Präsident Zeman. Er werde nur Minister ernennen, denen bescheinigt wurde, während des Sozialismus nicht mit der tschechoslowakischen Staatssicherheit StB zusammengearbeitet zu haben, erklärte Zeman. Das war ein Seitenhieb auf Babis, der sich gerade gerichtlich gegen einen Akteneintrag als StB-Agent wehrt.