Die ungeklärte Finanzierung seiner Prager Luxuswohnung hat den tschechischen Ministerpräsidenten Stanislav Gross endgültig sein Amt gekostet. Am Montag wich er nach langem Lavieren dem Druck der Koalitionspartner und gab seinen Rücktritt bekannt. Zum Nachfolger ernannte Präsident Vaclav Klaus noch am selben Tag dessen sozialdemokratischen Parteikollegen Jiri Paroubek. Mit dem Wechsel an der Regierungsspitze ist die labile Dreierkoalition aus CSSD, Chrisdemokraten und Liberale vorerst gesichert.
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Nur ganze acht Monate hielt sich der mit seinen 34 Jahren jüngste Regierungschef Europas im Amt. Als er im August des Vorjahres den Posten von Vladimir Spidla übernommen hatte, wurde der machtbewusste Jurist von der Prager Linken noch als großer Hoffnungsträger gefeiert. Doch Missgriffe ließen die Popularität des Sozialdemokraten rapide sinken. Dazu zählten die (fehlgeschlagene) Ernennung eines Polizeikommandanten aus der KP-Ära, der während der Samtenen Revolution brutal gegen Demonstranten vorgegangen war, zum Chef der Regierungskanzler - der Lauschangriff auf Politiker einschließlich der Präsidentschaftskanzler und zuletzt die Immobilienaffäre, die seit Jahresbeginn die Schlagzeilen dominieren. Gross konnte die Zweifel an der Herkunft eines Teils des Geldes für die Prager Luxuswohnung, die er 1999 gekauft hatte, nicht glaubhaft zerstreuen. Mit Fragezeichen versehen war auch ein Millionen-Kredit, mit dem seine Frau 2004 ein Haus kaufte. Für die Geldleihe haftete eine Unternehmerin aus dem Rotlicht-Milieu, gegen die strafrechtlich ermittelt wird.
Forderungen der Koalitionspartner nach einem Rücktritt lehnte der Regierungschef trotz der Erklärungsnöte kategorisch ab. Als ihn Ende März auch noch der CSSD-Parteitag als Parteivorsitzenden bestätigte, verließen die Christdemokraten (KDU-CSL) erzürnt die Regierung. Sein anschließendes Liebägfeln mit den Kommunisten, mit deren Hilfe er ein Misstrauensvotum der Opposition überstand, wurde schließlich den Liberalen (US-DEU) zu bunt. Sie drohten, das Kabinett ebenfalls zu verlassen. Dies hätte Neuwahlen bedeutet.
Mit Gross Rücktritt und der Ernennung des bisherigen Regionenministers Jiri Paroubek wurde nun der Weg für eine (mittlerweile dritte) Neuauflage des Dreier-Bündnisses bis zur regulären Parlamentswahl im Juni 2006 frei. Die Vorsitzenden unterzeichneten eigens eine Vereinbarung, wonach sie bei wichtigen Entscheidungen im Parlament gemeinsam stimmen. Dies betrifft das Budget, die Steuergesetze und grundsätzliche Fragen der Außen- und Verteidigungspolitik. Das neue Regierungsteam, das mit dem alten nahezu ident ist, hatte Paroubek bereits in der vergangenen Woche ausgewählt. Es sollte deshalb noch gestern ernannt werden.
Kleine Verschnaufpause
Zumindest eine kleine Verschnaufpause hat sich die tschechische Innenpolitik damit gegönnt. Die neue Regierung des 52-jährigen CSSD-Vizechefs Paroubek muss sich allerdings binnen 30 Tagen einer Vertrauensabstimmung stellen. Im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus verfügt sie nach wie nur über eine knappe Mehrheit von 101 Stimmen. Und drei CSSD-Abgeordnete der innerlich immer noch gespaltenen Partei wollen ihre Stimme nicht billig hergeben. So ist beispielsweise dem früheren Außenminister Jan Kavan der bisherige und auch künftige Diplomatiechef Cyril Svoboda ein Dorn im Auge.