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Prager Parlament will Kabinett Sanktus geben

Von WZ-Korrespondentin Alexandra Klausmann

Europaarchiv

Zwei Sozialdemokraten blieben Abstimmung fern. | Endlos-Patt vorläufig aufgehoben. | Prag. Tschechien wird wieder regiert. Eine Koalition bestehend aus der konservativen Bürgerpartei (ODS), den Christdemokraten (KDU-CSL) und den Grünen stand nach einem stundenlangen Debatten-Marathon gestern Abend kurz vor dem Durchbruch. Es bestand kaum ein Zweifel daran, dass sie die Vertrauensabstimmung im Parlament bestehen würde.


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Tschechien hatte, nachdem die Wahlen im Juni ein politisches Patt ergeben hatten, siebeneinhalb Monate keine vom Parlament legitimierte Regierung. Nun bleibt die Frage, ob sie wenigstens siebeneinhalb Monate halten wird. Denn das Kabinett von Premier Mirek Topolanek (ODS) wird sich auch weiterhin nicht auf eine klare Mehrheit verlassen können. Das Vertrauen erlangt die Regierung nur dank zweier schwacher Glieder in der roten Front. Die sozialdemokratischen Abgeordneten Michal Pohanka und Milos Melcak blieben, nach Absprache mit der ODS, der Vertrauensabstimmung fern.

"Nationales Interesse"

Es sei "im Interesse der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilität unseres Landes" die politische Krise nicht weiter zu vertiefen, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung, die die beiden abtrünnigen Abgeordneten zusammen mit den Chefs der drei Regierungsparteien schon am Dienstag veröffentlicht hatten. Das bedeute aber noch lange nicht, dass sie auch in Zukunft mit der ODS stimmen würden, beteuerten beide Abgeordneten. Es ginge ihnen nur darum, die momentane politische Zwickmühle zu lösen. "Es muss einfach eine Regierung geben. Es muss etwas getan werden," erklärte einer der Überläufer, Milos Melcak. Dass seine politische Karriere nun am Ende sein könnte, nimmt er in Kauf: "Wenigstens werde ich das Gefühl haben, etwas Gutes für dieses Land getan zu haben," sagte er.

Soviel Altruismus trauen die Sozialdemokraten den beiden Genossen nicht zu. Parteichef Jiri Paroubek wittert Korruption, und droht mit einer Anzeige. Man werde die Eigentumsverhältnisse der beiden, über die nächsten Jahre hinweg verfolgen, so Paroubek.

Ohne die Überläufer hätte der Machtpoker dem Sozialdemokraten noch das ein oder andere As zugespielt. Hätte Topolanek die Vertrauensfrage nicht überstanden, wäre seine Zukunft als ODS-Chef düster gewesen. Und Topolaneks innerparteiliche Gegner, wie der Prager Bürgermeister Pavel Bem, waren einer großen Koalition mit den Sozialdemokraten nicht abgeneigt.