Oppositionelle Sozialisten siegen in allen 13 Regionen. | Prager Bürgermeister hat Ambitionen auf Parteivorsitz. | Prag. Manchmal fällt selbst erfahrenen Politikern das Schönreden schwer: "Es ist eine Niederlage", kommentierte der tschechische Ministerpräsident und Vorsitzender der konservativen Bürgerpartei (ODS), Mirek Topolanek, die enorme Wahlschlappe seiner Partei bei den Regionalwahlen am vergangenen Wochenende. Andere sind noch direkter: "Ein solches Resultat habe ich in meinen schwärzesten Alpträumen nicht erwartet", erklärte Topolaneks größter parteiinterner Widersacher, Pavel Bem.
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Der hofft jetzt zumindest auf ein frohes Erwachen. Denn der Misserfolg der ODS wird innerhalb der Partei vor allem als das persönliche Waterloo Topolaneks ausgelegt. Schon werden Stimmen laut, die den Premier zum Rücktritt vom Parteivorsitz drängen. Allen voran Pavel Bem. Der Prager Oberbürgermeister und heimlicher Kronprinz der Bürgerdemokraten hat die Parteiführung aufgefordert, beim Parteitag am 6. Dezember ihre Ämter zu Verfügung zu stellen. Er sehe keinen Grund zur Resignation und werde sich selbstverständlich um seine Wiederwahl als Parteivorsitzender bemühen, konterte Topolanek. Und gab sich geläutert: "Falls wir eine Ohrfeige brauchten, kam sie rechtzeitig", sagte der Regierungschef.
Eine Ohrfeige ist das Wahlergebnis in der Tat: Die ODS hat ihre Mehrheit in zwölf Regionen an die Sozialdemokraten (CSSD) verloren. Die hat noch einen draufgesetzt und in allen 13 tschechischen Regionen gewonnen.
"Unsozial und arrogant"
Die meisten Tschechen fühlen sich überrollt von der Politik der Regierung Topolanek, die sich trotz schwachen Mandats kaum um den gesellschaftlichen Konsens kümmert. Der Wähler fürchtet die Gesundheitsreform, die Gebühren einführt und die Krankenhäuser und soziale Einrichtungen zu Aktiengesellschaften privatisiert. Auch außenpolitisch konnte die Regierung nicht punkten: Zwei Drittel der Bürger lehnen die Stationierung des US-Radars in Tschechien ab. Zu all dem kommt noch die Arroganz Topolaneks und der Clique von Freunden und Beratern, die er um sich geschart hat. Kein Wunder also, dass die Wähler reihenweise in Arme des sozialdemokratischen Oppositionsführers Jiri Paroubeks übergelaufen sind.
Während nun innerhalb der ODS die Messer für den Parteivorsitzenden Topolanek gewetzt werden, fordert die CSSD seinen Kopf als Ministerpräsident. Für morgen Mittwoch ist ein Misstrauensvotum angesetzt, bei dem die CSSD versucht, fraktionslose und rebellische Abgeordnete auf ihre Seite zu ziehen. Der Regierung bleibt nur noch die Flucht nach vorn. Es ginge ja wohl nicht, die Regierung zu stürzen, kurz bevor Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, erbosten sich sämtliche Vertreter der Regierungskoalition bei einer Fernsehdiskussion am Sonntag.
Doch Paroubek will von einem Waffenstillstand nichts wissen: "Diese Regierung ist weder fähig, dieses Land zu regieren, noch irgendeine vernünftige Arbeit für Tschechien innerhalb der EU zu leisten."