Beim Parteitag der Linken prallen Gegensätze aufeinander.
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Berlin. Ost gegen West, Realos gegen Fundis lautet das Match am Parteitag der deutschen Linken am Wochenende in Göttingen. 550 Delegierte bestimmen den Parteivorsitz - und damit maßgeblich das öffentliche Bild der Gruppierung. Nach der katastrophalen Performance des seit 2010 amtierenden Duos Gesine Lötzsch und Klaus Ernst suchen die Linken händeringend nach einer schlagkräftigen Spitze. Zwei Personen werden auch dieses Mal als Sieger hervorgehen, das schreiben Statuten und interne Logik vor. Denn zwischen den Parteiflügeln muss die Machtbalance gewahrt werden. Der von Pragmatikern geprägte Osten legt in einem eigenen Leitantrag für den Parteitag den Finger in die offenen Wunden und warnt den Westen vor einem "aufkeimenden Dogmatismus" innerhalb der Linken.
Taktische Winkelzüge und persönliche Animositäten prägten die Kandidatensuche im Vorfeld: So ließ Sahra Wagenknecht, die Galionsfigur des Linksaußen-Flügels, ihre Kandidatur fallen, weil sie nicht mit dem antretenden Pragmatiker Dietmar Bartsch kann - der wiederum als Intimfeind von Wagenknechts Lebensgefährten Oskar Lafontaine gilt. Der Saarländer hat zwar ebenfalls im Vorfeld seinen Verzicht auf die Kandidatur angekündigt. Beobachter schließen aber nicht aus, dass sich Lafontaine mit einer fulminanten Rede an die Spitze putschen könnte - wie er es 1995 beim Parteitag der SPD tat.
Groteskes Ränkespiel
Das groteske Ränkespiel der Kandidaten passt zum desolaten Zustand der Partei: In landesweiten Umfragen kommt die Linke nur knapp über die Fünf-Prozent-Hürde; bei der Bundestagswahl 2009 erreichte sie noch fast zwölf Prozent. Sorgen macht den Linken auch die neue Konkurrenz durch die Piratenpartei. Diese wildern erfolgreich im bisherigen Linken-Stammrevier der Protestwähler.
Im Osten des Landes ist die Linke ein Machtfaktor. Sie ist in jedem Landesparlament vertreten und liegt in einzelnen Bundesländern über 25 Prozent. Im Westen schlittert die Partei immer mehr in die Bedeutungslosigkeit: Erst im Mai flog sie bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen - wo jeder Fünfte Wahlberechtigte Deutschlands lebt - aus dem Landtag. In die Parlamente der maßgeblichen Länder Bayern und Baden-Württemberg schaffte es die Linke noch nie.
Im konservativen Süden der Republik steht man traditionell skeptisch zur Linken, die aus dem Nachfolger der DDR-Einheitspartei SED und westdeutschen, mit der SPD unzufriedenen Gruppierungen gebildet wurde. Hier, und generell im Westen, verzettelte sich die Linke in sektiererische Diskussion. Im Osten gibt sich die Partei moderat, dort kann sie rechnerisch - und möchte auch - präsentabler Koalitionspartner sein. So regiert derzeit in Brandenburg ein rot-rotes Bündnis aus SPD und Linkspartei, in Berlin von 2002 bis 2011.
Der 54-jährige Dietmar Bartsch, stellvertretender Fraktionsführer im Bundestag, steht prototypisch für den Kurs der Partei im Osten. Neun weitere Kandidaten haben ihr Antreten am Wochenende angekündigt, darunter das von Sahra Wagenkecht favorisierte Duo Bernd Riexinger und Katja Kipping. Letztere hatte sich gemeinsam mit Katharina Schwabedissen ins Spiel gebracht.