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"Pragmatische Lösung mit den USA ist in Sicht"

Von Alexander U. Mathé

Politik

Schweizer Außenminister im Interview mit der "Wiener Zeitung".


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"Wiener Zeitung":Der Schweizer Nationalrat hat gegen die Vorlage der Regierung gestimmt, die den Schweizer Banken einen Freibrief für die Herausgabe von Geschäfts-und Mitarbeiter-Daten an die US-Behörden ausstellen würde. Wie geht es jetzt weiter?Didier Burkhalter: Der Nationalrat hat das abgelehnt, dafür versucht aber jetzt der Bundesrat (die Regierung, Anm.) im Rahmen seiner Kompetenzen eine Regelung durchzubringen, die so weit wie eben möglich an die ursprünglich geplante herankommt. Das wird heute im Bundesrat weiter diskutiert und wahrscheinlich auch heute entschieden.

Viele fürchten, dass die USA die Geduld verlieren und Schweizer Banken klagen.

Diese Furcht ist jetzt nicht unbedingt größer als früher. Wir arbeiten ganz eng mit dem Department of Justice zusammen. Wir glauben, dass diese Kontakte klarmachen, dass eine pragmatische Lösung in Sicht ist.

Die Schweizer Regierung will Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs anerkennen. Gleichzeitig könnte ein Gesetz erlassen werden, das das Bundesgericht von der Anwendung von EU-Recht befreit. Ist das nicht widersprüchlich?

Nein. Es ist ja nicht so, dass wir den Europäischen Gerichtshof entscheiden lassen. Die technischen Diskussionen zwischen der EU und der Schweiz haben gezeigt, dass - wenn es zum Streit zwischen beiden Lagern kommt - der Europäischen Gerichtshof die Rechtsauslegung übernehmen könnte. Die Interpretation würde lediglich das EU-Recht in unseren bilateralen Abkommen betreffen. Diese Rechtsauslegung würde dann in die Diskussion im gemischten Ausschuss eingebunden. Das war der Vorschlag der Techniker und der wurde im Bundesrat in Form eines Mandats, das wir verhandeln können, bejaht. Wir haben auch gesagt, dass - sollte eine Entscheidung im gemischten Ausschuss auf einer Auslegung des Europäischen Gerichtshofs beruhen - ein Gesetz sicherstellen müsste, dass sich auch das Bundesgericht daran hält - selbst wenn es überhaupt nicht annehmbar für die Schweiz wäre.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass wir jetzt mit der EU eine klare Lösung suchen, um den bilateralen Weg zu erneuern und Rechtssicherheit zu schaffen. Das ist gut für beide Seiten. Der Schweiz geht es wirtschaftlich ziemlich gut und es ist auch positiv, dass es Länder in Europa gibt, denen es wirtschaftlich gut geht. Wir suchen nach Möglichkeiten, das ganze über Jahre hinweg zu bestätigen und zu festigen.

Wie glücklich oder unglücklich sind Sie denn persönlich, dass die Schweiz nicht Mitglied der EU ist?

Das ist keine Frage von Glück oder Unglück. Das ist eine Entscheidung des Volkes. Die Schweizer Bevölkerung ist ganz klar offen für die Welt und die Europäische Union und ist auch rund um den Globus aktiv. Es gibt aber auch einen großen Willen zu Unabhängigkeit und der muss respektiert werden. Darum haben wir diesen bilateralen Weg zwischen der EU und der Schweiz.

Viele Staaten in Europa haben wegen der NSA-Affäre den US-Botschafter ins Außenministerium zitiert. Hat das die Schweiz auch gemacht?

Nein. Wir haben Kontakt zur US-Botschaft, aber wir haben den Botschafter nicht zu uns zitiert.

Wie überrascht sind Sie, dass es diese Überwachungen gibt und wie gelassen sehen Sie das? Ihr ehemaliger Botschafter in den USA hat ja erklärt, dass er stets davon ausgegangen ist, dass er abgehört wird.

Die massive Überwachung ist schon etwas, das überraschen kann. Es muss in unserer Welt und zwischen unseren Staaten vor allem eine Debatte über die Werte geben: Wie viel Freiheit muss man der Person, dem Individuum, lassen? Welches Maß an Sicherheit will man durch diese Maßnahmen erreichen? Das muss offen diskutiert werden und darf nicht ein Graubereich bleiben.