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Pragmatische Partner

Von Gerhard Lechner

Politik

Bei Putins Staatsbesuch am Dienstag wird das Thema Gas im Mittelpunkt stehen.


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Wien/Moskau. Was immer man über Wladimir Putin sagen kann - eines dürfte dem russischen Präsidenten jedenfalls nicht passieren: der klassische Fauxpas. "Es ist schwierig, mit Leuten im Gespräch zu bleiben, die Austria mit Australia verwechseln", stichelte Putin im vergangenen Herbst gegen geographisch nicht versierte US-amerikanische Diplomaten. Der Kreml-Chef betonte damit auch implizit, dass ihm ein derartiger Lapsus unmöglich unterlaufen könnte.

Tatsächlich wäre eine derartige Verwechslung bei Putin extrem unwahrscheinlich. Denn wenn der russische Präsident am Dienstag auf Einladung von Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu einem Staatsbesuch nach Wien kommt, wird es bereits seine sechste Visite in offizieller Mission in Österreich sein. Dem Ex-KGB-Agenten, der zwischen 1985 und 1989 in der DDR stationiert war, wird bereits seit langem eine Vorliebe für die Alpenrepublik nachgesagt: Laut in Geheimdienstkreisen kursierenden Gerüchten soll Putin in seiner Zeit als Agent in Dresden auch mehrmals zum Skifahren nach Österreich gekommen sein. Später, als Präsident, wedelte er gemeinsam mit Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel in St. Anton über die Pisten.

Verständnisvolles Österreich

Und auch abseits des Skisports war die beiderseitige Wertschätzung - trotz des beständig schlechten Images Putins in der westlichen Presse - meistens recht groß. So groß, dass Österreich der erste Staat war, den Putin 2014 nach der Annexion der Krim, als die Missstimmung zwischen West und Ost auf dem Höhepunkt war, offiziell besuchte.

Auch danach riss der Gesprächsfaden nie ab. Österreich zeigte sich betont bemüht, im neuen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beziehungsweise dem Westen seine Vermittlerrolle aus der Zeit des Kalten Krieges wieder aufzunehmen. In der EU zählt es heute - ganz im Gegensatz etwa zu Polen, den baltischen Staaten oder Rumänien - zu jenen Ländern, die ein mehr oder weniger großes Verständnis für die Haltung Russlands haben. So spricht sich die schwarz-blaue Regierung immer wieder dafür aus, dass die Wirtschaftssanktionen der EU gegen Russland schrittweise aufgehoben werden sollten. Besonders die FPÖ ist bekanntlich Russland-affin: Die Partei hat sogar einen Kooperationsvertrag mit der russischen Regierungspartei "Einiges Russland" abgeschlossen. Ein österreichisches Veto gegen eine weitere Verlängerung der EU-Sanktionen ist freilich dennoch unwahrscheinlich - schon deshalb, weil Österreich im zweiten Halbjahr 2018 den EU-Vorsitz innehat.

Österreichs kooperative Haltung wird in Moskau in jedem Fall honoriert. Das sieht man auch daran, dass sich Putin trotz einer hartnäckigen Erkältung, wegen der er mehrere Termine hatte absagen müssen, Ende Februar für Bundeskanzler Sebastian Kurz Zeit genommen hat.

Es gibt freilich noch andere Gründe für das russische Interesse an Österreich - und auch für das österreichische Interesse an Russland. Vor allem einen Grund: Erdgas. Der Besuch des Kreml-Chefs wird - von der Eröffnung einer Ausstellung im Kunsthistorischen Museum in Wien, die Exponate aus der Petersburger Eremitage zeigt, einmal abgesehen - ganz im Zeichen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit der beiden ungleichen Staaten stehen. Es gibt ein Jubiläum zu feiern: Vor 50 Jahren, im Juni 1968, unterzeichnete Österreich mit der Sowjetunion den ersten Gasliefervertrag. Die beiden Partner, das sind heute die russische Gazprom und die österreichische OMV, betonen, dass Russland beziehungsweise die Sowjetunion trotz aller politischen Probleme den Vertrag stets eingehalten haben und dass auch im Kalten Krieg das Gas ungehindert nach Österreich floss. Und wie wichtig das vergleichsweise umweltfreundliche Erdgas für die Zukunft sei.

Trump sorgt für Politikwechsel

Es sind also besonders kühle wirtschaftliche Interessen, die Österreich und Russland verbinden. Die positiv-pragmatische Haltung Wiens gegenüber dem Kreml gefällt naturgemäß nicht allen. Besonders Polen und die baltischen Staaten, aber auch Großbritannien und die USA nennen eine solche Kompromisshaltung Appeasement. Nachgiebigkeit gegenüber Moskau löst dort Ärger aus.

"Dennoch ist es so, dass es in der EU mehr und mehr Anhänger einer Politik der Normalisierung der Beziehungen zu Moskau gibt", meint Peter Havlik, Russland-Experte am Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche, gegenüber der "Wiener Zeitung". Vor allem die Handelspolitik von US-Präsident Trump habe dafür gesorgt.