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Pragmatischer Liberaler folgt auf Leitl

Von Walter Hämmerle

Politik

Harald Mahrer wird zum neuen Präsidenten der Wirtschaftskammer gewählt.


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Wien. Im großen Sesselrücken an der Spitze der vier Sozialpartner erfolgt heute, Freitag, der dritte Wechsel. Nach Renate Anderl (55, Arbeiterkammer) und Josef Moosbrugger (51, Landwirtschaftskammer) wählt das Wirtschaftsparlament nun Harald Mahrer (45) zum Präsidenten der Wirtschaftskammer. Wenn im Juni Wolfgang Katzian (61) die Spitze des Gewerkschaftsbunds übernimmt, wird der Generationenwechsel seinen Abschluss finden.

Mahrer folgt auf Christoph Leitl (69), den er bereits Ende 2017 als Obmann des Wirtschaftsbunds beerbte. Nachdem der Arbeitgeberflügel der ÖVP im Wirtschaftsparlament über eine absolute Mehrheit verfügt, ist die Wahl Formsache; Leitl, der seit 2000 an der Spitze der WKO stand, bleibt Präsident der Europäischen Wirtschaftskammer.

Die umfassende Stabübergabe in der einst als "Nebenregierung" bezeichneten Sozialpartnerschaft fällt in eine Umbruchphase der nationalen Politik, die allen Akteuren eine Überprüfung ihrer bisherigen Standpunkte und Strukturen abverlangt.

Neue Herausforderungen

Da ist zum einen der rein innenpolitische Aspekt mit dem Wechsel von einer rot-schwarzen zu einer türkis-blauen Regierung, die per se Folgen für das Verhältnis der traditionell von SPÖ (Arbeitnehmer) und ÖVP (Arbeitgeber und Bauern) dominierten Sozialpartner hat. Insbesondere die FPÖ drängt seit jeher auf eine Redimensionierung des Einflusses der Kammern, was sich etwa in ihrer vehementen Ablehnung der Pflichtmitgliedschaft samt Beitragspflichten und ihrer Skepsis gegenüber dem Prinzip der Selbstverwaltung, wie es sich etwa in der Sozialversicherung findet, widerspiegelt.

Noch viel massiver wirken sich aber die Umwälzungen im internationalen Umfeld aus, die nach Österreich hineinstrahlen. Die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der die Digitalisierung und der Aufstieg des 1,4-Milliarden-Reichs China die Rahmenbedingungen des nationalen Wirtschaftsstandorts herausfordern, stellen auch die heimische Sozialpartnerschaft vor grundlegend neue Fragestellungen.

Mit Mahrer übernimmt ein pragmatischer Liberaler das Ruder in der Wirtschaftskammer. Auf einfache Dichotomien will er sich nicht festnageln lassen. So hält der ehemalige PR-Unternehmer und Wirtschaftsminister unter Rot-Schwarz den Gegensatz zwischen Staat und privat für "überholt" und will diese beiden um den Aspekt der Gemeinnützigkeit ergänzen, wie Mahrer in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" einmal erklärte. Allenfalls wo es um rein wirtschaftliches Handeln gehe, sei privates Agieren verlässlich dem Staat vorzuziehen. Politisch predigt der studierte Betriebswirtschaftler seit Jahren das Zusammenspiel von Freiheit, Selbstverantwortung, Eigentum und Leistung.

FPÖ macht Druck

Trotz seiner erklärten Skepsis gegenüber staatlichen Zwängen ist er für die Beibehaltung der Pflichtmitgliedschaft bei den Kammern (lediglich der ÖGB agiert als Verein mit freiwilligen Mitgliedern, wie auch die Industriellenvereinigung, die aber nicht zum engeren Kreis der Sozialpartner zählt). Im Vorfeld der Regierungsbildung drängten insbesondere die Freiheitlichen auf eine Abschaffung beziehungsweise eine Volksabstimmung über diese Form der Organisation, scheiterte damit aber schließlich. Stattdessen fordert die Regierung nun bis Jahresende eigene Reformvorschläge, unter anderem auch zur Entlastung der Mitglieder. "Wir hoffen, dass wir gute Vorschläge von den Kammervertretern erhalten", erklärte FPÖ-Obmann und Vizekanzler Heinz-Christian Strache mit einem durchaus drohenden Unterton zu Jahresende.

Was diesen letzten Punkt angeht, fühlt sich die Wirtschaftskammer bereits gut aufgestellt; schließlich bringe eine in Umsetzung befindliche Reform ein Entlastungsvolumen für die Mitglieder von 15 Prozent sowie zusätzliche Leistungen. Und Mahrer kommt sicherlich zugute, dass er wesentliche Teile des Regierungsübereinkommens noch als Minister selbst mitverhandelte.

Zu Mahrers rechter Hand als WKO-Generalsekretär wird Karlheinz Kopf (60) gewählt, der als ehemaliger Wirtschaftsbund-Generalsekretär, ÖVP-Klubobmann und Zweiter Nationalratspräsident Politik wie Sozialpartnerschaft perfekt kennt.