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Pralles blau-gelbes Nikolaussackerl

Von Karl Ettinger

Politik

Was die Niederösterreicher vor der Wahl bekommen, obwohl sie 2021 den zweithöchsten Schuldenstand pro Kopf hatten.


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Den Auftritt hätte sich Johanna Mikl-Leitner gern erspart. Die niederösterreichische ÖVP-Landeshauptfrau hat sonst nichts gegen TV-Kameras, aber der mittwöchige Abstecher nach Wien in den parlamentarischen ÖVP-Untersuchungsausschuss schmeckte ihr und der Landes-ÖVP gar nicht. Sonst schlägt die Chefin der niederösterreichischen ÖVP jedoch vor der Landtagswahl am 29. Jänner 2023 und Wochen vor der heißen Wahlkampfphase nach Weihnachten ein wahres Stakkato an Presseauftritten an, bei dem so manches Nikolaussackerl an die rund 1,2 Millionen Wahlberechtigten verteilt wird.

Da spielt es auch keine Rolle, dass Niederösterreich mit 5.356 Euro laut Statistik Austria pro Kopf nach Kärnten im Vorjahr die zweithöchsten Schulden im Bundesländer-Vergleich aufwies. Allerdings war Niederösterreich, worauf die Statistik Austria auf Anfrage der "Wiener Zeitung" ebenfalls ausdrücklich hinweist, gleichzeitig das einzige Bundesland, dass von 2020 auf 2021 einen Rückgang der Schulden pro Kopf verzeichnen konnte. Die niederösterreichische ÖVP betont darüber hinaus stolz, dass Niederösterreich nach Salzburg auch von 2019 bis heuer die zweitbeste Entwicklung beim Schuldenstand im Bundesländer-Vergleich verzeichnet hat. In Kärnten lag der Schuldenstand pro Kopf im Vorjahr bei 6.419 Euro. Zum Vergleich: In Tirol war sie mit 1.143 Euro am niedrigsten, in Wien war sie mit 5.056 Euro am dritthöchsten im Bundesländervergleich der Statistik Austria.

300 Millionen Euro für Strompreisentlastung

Gleichzeitig ist die seit Jänner 2018 mit einer knappen absoluten Mehrheit ausgestattete Landes-ÖVP schon seit Wochen dabei, teilweise zur Abfederung der Rekordteuerung eigene Maßnahmen neben jenen des Bundes umzusetzen. Während mit dem 1. Dezember die von ÖVP und Grünen auf Bundesebene österreichweit angezogene Strompreisbremse zum Tragen kommt, war Mikl-Leitners ÖVP dabei schneller. Schon vor der Bundesregierung wurde für die Niederösterreicher eine eigene Strompreisentlastung angekündigt und trotz der Bundesmaßnahme vor der Landtagswahl auch umgesetzt. Dafür allein werden rund 300 Millionen Euro locker gemacht.

Es ist nicht die einzige Entlastungsmaßnahme, die in Niederösterreich zum Tragen kommt - und im Regelfall von der ÖVP-Landeshauptfrau selbst auch angekündigt wurde. Allerdings waren in den vorzeitig verteilten blaugelben Nikolaussackerln auch kleinere Geschenke in Form von Unterstützungsmaßnahmen. So hat die Landesregierung am 22. November, in der die ÖVP ebenfalls die absolute Mehrheit hat, insgesamt 3,1 Millionen Euro für energiesparende Maßnahmen in den Gemeinden des Bundeslandes beschlossen. Mit diesen Mitteln wird unter anderem die Anschaffung von Elektro-Autos durch die Gemeinden unterstützt, aber auch der Tausch von Heizungen und die Errichtung von Solar- und Photovoltaikanlagen. Damit, so rechnete Mikl-Leitner vor, seien allein heuer Investitionen von knapp 21 Millionen Euro in 188 der 573 Gemeinden des Bundeslandes ausgelöst worden.

500 Euro netto für 23.000 Pflegekräfte

Ebenfalls Anfang Dezember kommt eine andere Sondermaßnahme zum Tragen. Während in manchen Bundesländern die Auszahlung des vom Bund zugesagten Pflegebonus in Höhe von 2.000 Euro brutto zusätzlich nur mit Müh und Not für Dezember geschafft wurde, legt das Land Niederösterreich als einziges Bundesland noch einen ordentlichen Betrag drauf. Für rund 23.000 Pflegekräfte und Heimhelferinnen gibt es in Niederösterreich 500 Euro zusätzlich - und das netto. Nach Angaben des Landes kostet das außertourlich zehn Millionen Euro, die 2.000 Euro Pflegebonus brutto werden hingegen für Pflegebedienstete und Heimhilfen in ganz Österreich den Ländern vom Bund rückerstattet - wofür 2022 und 2023 jeweils in Summe 285 Millionen Euro vorgesehen sind.

Den mit Abstand größten Brocken in Niederösterreich macht jedoch die Ausweitung der Kinderbetreuung aus, damit Kindergärten im flächenmäßig größten Bundesland künftig bereits für Mädchen und Buben ab Herbst 2023 ab dem Alter von zwei Jahren offenstehen und außerdem das Angebot am Nachmittag ausgeweitet wird. Dafür braucht es vor allem auch mehr Personal in den Kindergärten, das freilich erst gefunden werden muss. In Summe werden dafür bis zum Jahr 2027 satte 750 Millionen Euro zusätzlich in Niederösterreich veranschlagt. Damit sollen bis zu 600 neue Kindergartengruppen und weitere 250 Gruppen zur Betreuung von Kleinkindern eingerichtet werden, was für die Kommunen noch zu einer Herkulesaufgabe werden wird.

Die Kindergartenoffensive zeigt auch, wie politisch wendig Mikl-Leitners Partei vor der Landtagswahl ist. Denn ursprünglich hat Niederösterreichs SPÖ mit Vizelandeshauptmann und Landesparteichef Franz Schnabl diesbezüglich seit Monaten Druck gemacht. Mit dem Anfang September vorgestellten Kindergartenpaket hat die ÖVP den Sozialdemokraten einen Wahlkampfschlager vorweg aus der Hand gerissen. Allerdings lässt die SPÖ nicht locker. Denn Schnabls Partei geht die ÖVP-Offensive nicht weit genug, die SPÖ drängt vor allem auf ein Gratis-Angebot mit ganztägig geöffneten Kindergärten auch am Nachmittag.

St. Pölten gibt Takt für Nehammer vor

Außerdem hat Mikl-Leitner auch dem aus Niederösterreich kommenden Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteichef Karl Nehammer in der Vergangenheit klar den Takt aus St. Pölten vorgegeben. Das war schon vor Monaten so mit weiteren Entlastungsmaßnahmen angesichts der Teuerung. Es setzt sich jetzt aber auch mit der Forderung Mikl-Leitners nach einem Gaspreisdeckel fort.

Das lässt wiederum SPÖ-Landeschef Schnabl richtiggehend schäumen. Er attackiert die ÖVP-Landeshauptfrau, weil die ÖVP ein ähnliches Ansinnen im Landtag noch im Sommer abgelehnt habe. Eine Fortsetzung dieses Konflikts um effektivere Entlastungsmaßnahmen angesichts der weiter hohen Teuerung ist in den knapp zwei Monaten bis zur Landtagswahl garantiert.