"Wer glaubt, dass man an der Demokratie sparen muss, ist am Irrweg." So rechtfertigte Nationalratspräsidentin Prammer den einhelligen Beschluss des Nationalrats, die Klubförderung um 15 Prozent auf 17,8 Millionen Euro zu erhöhen - aus dem Steuertopf. Daran irritiert: Prammer engt in diesem Fall "Demokratie" auf "Parteien" ein; sie hält den Aufputz um 2,3 Millionen Euro für den "richtigen Weg"; SPÖ und ÖVP bekommen für ihre Wahlniederlagen sogar mehr Klubgeld. Offenkundig wollen unsere Volksvertreter nicht kapieren, dass diese Selbstbedienung mitten in einer Wirtschaftskrise die grassierende Politik(er)verdrossenheit anheizt. Doch wer kann solchen Unfug verhindert?
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Prammer spielte diese Selbstbedienung mit einer Lektion in höherer Polit-Mathematik herunter: "Das ist ein 0,0er-Betrag für die Klubs." Da fällt einem jener Urologe ein, der zum Patienten sagte: "Sie haben Postatakrebs. Aber 99,8 Prozent Ihres Körpers sind pumperl-g´sund!" Zweimal also quantitative Maximum-Minimum-Rechnung, welche die qualitativen Proportionen vernebelt.
Prammer belehrte uns auch, "dass Demokratie was kostet". Wen, wenn nicht das Volk, das bei der Steuergelderzuteilung an die Parteien rein gar nichts mitzureden hat? Also darf es im Wahlkampf den plakatierten Literatur-Wettbewerb um den plattesten Drei-Wörter-Stummelsatz finanzieren.
Zwar geht bei uns alle Macht vom Volk aus, doch sie endet in der Wahlkabine. Danach verwalten die Mandatare fünf Jahre lang das Wohl des Volkes, das freilich bei Bedarf aufs eigene Parteivolk schrumpft. Daher die Frage, wer denn die Volksvertreter wirklich kontrolliert und welche demokratische Möglichkeit dem Volk bleibt, damit nicht die Parteien in ungewohnter Eintracht ihre Finanzen aus der Steuerschatulle aufbessern können.
De facto liegt nämlich (beinahe) alle Macht bei der Volksvertretung. Nur sie kann alles verhindern, was ihre und der Parteien Macht schmälert. So muss das Parlament Volksbegehren behandeln, nicht aber umsetzen. Ungleich illustrativer ist das Siechtum der allseits geforderten Staatsreform auf der langen Bank, weil die Parteien damit an Macht verlören. Wer begeht schon gern Selbstverstümmelung? Wer kontrolliert also die Volksvertreter wirksam?
Ausgerechnet der große Sun Yat-Sen schrieb den Chinesen in ihre erste demokratische Verfassung nach dem Sturz der Monarchie 1912 ein mächtiges Kontrollorgan als vierte Gewalt. Dem entspräche unser Rechnungshof - wenn der Nationalrat dessen kritische Berichte nicht legal ins Archiv durchwinken dürfte.
In Bananenrepubliken kontrollieren Panzerbrigaden die Volksvertreter. Diese Alternative ist uns - Gott sei Dank! - verwehrt. Wo aber ist die Alternative zu einem System, in dem Parteien verhindern (können), was ihren (materiellen) Interessen zuwiderläuft? Protestwahlen sind es nicht, weil sie auf ein Nullsummenspiel hinauslaufen.