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Präsident der Hausärzte: Gesundheitssystem in Österreich "lässt sich nicht generalsanieren"

Von Brigitte Pechar

Politik

Euler fordert Aufwertung der Allgemeinmediziner. | "Finanzierung aus einem Topf" und "Geld folgt Leistung". | Arzt als Wegweiser im System. | Wien. "Mindestens 10 bis 20 Wochen" werde der vertragslose Zustand zwischen Ärztekammer und Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) dauern. Das schätzt der Präsident des österreichischen Hausärzteverbandes, Christian Euler, im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".


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"Von mir aus kann das ewig dauern", sagt Euler. Allerdings bedauere er die vielen Menschen in Ein-Personen-Unternehmen. Aber diese sollten ohnehin nicht in der SVA versichert sein, sondern bei den Gebietskrankenkassen (GKK). Wäre das der Fall, hätte die SVA auch keine Probleme. Euler rechnet nicht über die E-Card ab: "Da bin ich ganz auf Linie der Ärztekammer. Da verrechne ich bei sozial bedürftigen Patienten lieber gar nichts."

Insgesamt kann er dem vertragslosen Zustand auch etwas Positives abgewinnen: "Man denkt mit den Patienten nach, ob bestimmte Untersuchungen - etwa bei Bluttests - überhaupt notwendig sind." Das System werde kostenbewusster werden.

Gesamtvertragoder neue Wege

Die SVA will jedenfalls weiterverhandeln - auch über ein gänzlich neues Abrechnungssystem mit den Ärzten. In diesem System, erklärt der stellvertretende SVA-Obmann Martin Gleitsmann, soll der Arzt Wegweiser im System sein. Allerdings will die SVA wegkommen vom Gesamtvertrag und eine Abrechnung nach Qualitätsstandards einführen. Der Arzt, dessen Ansehen unbestritten sei, als Wegweiser im System sei auch "eine Wunschvorstellung" der Hausärzte, meint Euler dazu.

Das setze aber eine Aufwertung der Hausärzte voraus - durch eine eigene Ausbildung zum Allgemeinmediziner und Lehrpraxen. Dem Hausarzt müsste wieder mit mehr Respekt begegnet werden. Derzeit dürften Allgemeinmediziner zum Beispiel nicht einmal Medikamente gegen Nagelpilz verschreiben, das dürfen nur Dermatologen.

Wenn Kassenvertreter von der Aufwertung der Hausärzte in einem neuen Abrechnungssystem sprächen, sei das geleitet von ökonomischen Gedanken. "Man will uns die Sicherheit (Gesamtvertrag, Anm.) nehmen und niedrigere Tarife geben", sagt Euler.

Er befürchtet, dass der Mut zu großen Veränderungen fehlt. "Dieses System, wie es jetzt ist, lässt sich nicht generalsanieren. Außer, man nimmt einen ganz neuen Ansatz", sagt der Präsident des Hausärzteverbandes. Um gerecht zu sein, müsste dieser "extrem übergreifend" sein. Wenn etwa Dinge ausgelagert werden, müsste auch Geld ausgelagert werden.

In diesem Punkt trifft sich Euler mit dem Vorsitzenden des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Hans Jörg Schelling, der fordert: "Geld folgt Leistung." Dieses Prinzip werde im niedergelassenen Bereich schon gelebt, betont Euler. Jetzt müssten die Spitäler diesem Prinzip folgen. Allerdings hat er da so seine Zweifel, denn "die Gesundheitspolitik wird von inkompetenten Stellen betrieben". Der Chef der Hausärzte nimmt die Kassen von diesem Vorwurf allerdings aus, diesen bescheinigt er, dass "sie ihr Geschäft verstehen".

Es müsste auch Konsens darüber herrschen, dass Selbstkontrolle der Ärzte unverzichtbar ist. Gleichzeitig dürften schwarze Schafe in der Ärzteschaft nicht gedeckt werden: "Wer sich nachweislich am System bedient, kann nicht mehr mitarbeiten."

Breite Masse braucht keine Spitzenmedizin

Euler hält das Gesundheitssystem für finanzierbar, wenn man sich an redlicher, evidenzbasierter Medizin orientiere und nicht der breiten Masse Spitzenmedizin, die nur im Interesse der Betreiber sei, verordne. Als Beispiel führt er die Mammographie an, die zwar für Frauen ab 50 alle drei Jahre durchaus ratsam sei, aber nicht schon in frühem Alter jährlich durchgeführt werden müsste- eben nur in Fällen, wo es eine familiäre Vorbelastung gebe. "Das Zurechtrücken zwischen dem Möglichen und dem Sinnvollen ist Aufgabe der Allgemeinmediziner."