Erwartungsgemäß hat die tschetschenische Wahlkommission den Kreml-Kandidaten Achmad Kadyrow am Montag zum neuen Präsidenten der Kaukasus-Republik erklärt. Russlands Präsident Wladimir Putin sah dadurch Kadyrows Rückhalt in der Bevölkerung bestätigt, während Kritiker von einer Farce sprachen und sich keinerlei positive Auswirkungen erwarten.
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Unter der Bewachung von 15.000 Polizisten und Soldaten ist haben die Tschetschenen nach offiziellen Angaben den russischen Statthalter Kadyrow mit überwältigender Mehrheit zu ihrem neuen Präsidenten gewählt. Während Moskau unbeirrt die "politische Lösung" und die "Tschetschenisierung" des Problems vorantreiben will, sprechen Kritiker von einer Wahlfarce und befürchten eine Eskalation der Gewalt in der Kaukasus-Republik.
Die Zahlen der Wahlkommision in Grosny sprechen eine eindeutige Sprache. Nach Auszählung von 77 Prozent der Stimmen sei der moskautreue Amtsinhaber auf 81,1 Prozent gekommen, erklärte der Vorsitzende der Kommission am Montag. Über 86 Prozent der 561.000 Wahlberechtigten hätten ihre Stimme abgegeben.
Von den tschetschenischen Widerstandskämpfern war die Wahl boykottiert worden. Über die rebellenfreundliche Internetseite Kavkavcenter.com tat der 1997 gewählte Präsident Aslan Maschadow, der im Untergrund lebt, die Wahl als "Verbrechen der Besatzungstruppen" ab und verkündete seine "Entschlossenheit zur Fortführung des Kampfes".
Die "Tschetschenisierung"
Tatsächlich war der Sieg Kadyrows schon lange vor der Wahl ausgemachte Sache. Der Kreml hatte seinem Statthalter die aussichtsreichsten Kandidaten durch politische Winkelzüge aus dem Weg geräumt. Neben der Rückendeckung durch die Regierung in Moskau stützt sich der neue Präsident vor allem auf seine berüchtigte Privatarmee der "Kadyrowskis", die mehrere tausend Mann umfasst. Diese militärische Schlagkraft macht Kadyrow wiederum für den Kreml interessant. Im Zuge der "Tschetschenisierung" des Konflikts, sollen die Milizen des Präsidenten gegen die Rebellen kämpfen und so die russischen Streitkräfte entlasten.
Putin sprach angesichts des Wahlergebnisses von "breitem Rückhalt" des "politischen Wegs" in der tschetschenischen Bevölkerung. Nach dem Verfassungsreferendum im März und der Präsidentenwahl werde als nächstes ein Abkommen über die Kompetenzenverteilung zwischen der Regierung in Grosny und der Moskauer Zentralregierung vereinbart, in dem Tschetschenien eine "größtmögliche Automie" gewährt werden soll. Innerhalb von drei Monaten müssen gemäß der neuen Verfassung außerdem Parlamentswahlen stattfinden.
Kritik an russischer Lösung
Weder der Europarat, noch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) haben - offiziell aus Sicherheitsgründen - Wahlbeobachter nach Tschetschenien geschickt. Der Leiter der deutschen Delegation im Europarat, Rudolf Bindig, bezeichnete die Wahl am Montag als unfair und vom Kreml gesteuert. Bindig rechnet mit einer weiteren Verschärfung des Konflikts. Maßgebliche tschetschenische Kräfte seien nicht am politischen Prozess beteiligt. Der Versuch, eine "rein russische Lösung mit Zwang hinzubekommen", werde nicht funktionieren.