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Wer es in die Hofburg schafft, wird in den kommenden Wochen im Intensivwahlkampf entschieden.
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Wien. Als "Kasperl, der immer gewinnt", hatte sich der Neo-Hofburgkandidat und Baumeister Richard Lugner bei seinem Wahlkampfauftakt vor einigen Wochen inszeniert. Am Dienstagabend gab sich Lugner dann bei Armin Wolf in der "ZiB 2" alle Mühe, sein Image als Pausenclown und Österreichs Version von Donald Trump im Rennen um das höchste Amt im Staate zu konterkarieren. Beharrlich forderte er vom Moderator ein, er möge ihn doch über seine Anliegen und politischen Konzepte befragen, anstatt mit ihm über seinen skurril anmutenden Wahlkampf zu diskutieren. Was vom Interview überblieb, war dann, neben Lugners offensichtlicher Unkenntnis der Befugnisse des österreichischen Bundespräsidenten, vor allem eines: sein beige-bunt geflecktes Sakko. Dessen stolzer Preis von 890 Euro machte noch Tage nach Lugners TV-Auftritt Schlagzeilen und beschäftigte die sozialen Medien.
Dass Lugner als einziger der sechs Kandidaten nicht zu den TV-Duellen im ORF geladen wurde, könnte dieser durchaus für sich nutzen, sagt der Politikexperte Thomas Hofer. Zwar sei die Entscheidung des ORF, auf Lugner und damit auf den Faktor Skurrilität zu verzichten, durchaus nachvollziehbar, allerdings biete dies für Lugner die Chance, sich als Underdog zu stilisieren. "Lugner spricht ohnehin rechtsorientierte Wähler und Enttäuschte an. Gerade diese Schichten könnten sich im Entschluss, eine Proteststimme für ihn abzugeben, bestärkt fühlen", so Hofer.
Profis und Anfänger
Auch wenn es Richard Lugner bei seiner Kandidatur unter anderem um Werbung für sich und seine Unternehmen geht: Vor allem für die Nicht-Profis unter den sechs Kandidaten ist es schwierig, die große Bühne der TV-Auftritte für sich optimal zu nutzen. Der Auftritt der ehemaligen Höchstrichterin Irmgard Griss in der ORF-Sendung "Wahlfahrt" am Donnerstagabend machte dies ebenfalls deutlich. Griss wirkte verhalten, ihr Auftritt endete mit einer offen ausgesprochenen Erkenntnis: "Ich tu mir schwer mit Ihnen", sagte die ehemalige Hypo-Gutachterin zu Moderator Hanno Settele.
"Bei Irmgard Griss wird ein regelrechtes Unbehagen bei großen medialen Auftritten deutlich", analysiert Hofer. Ihre Unerfahrenheit mit Medien würde ihr zwar bei jenen, die genug von einer allzu geschliffenen Politikersprache hätten, Sympathien einbringen. Griss, die als Person noch relativ unbekannt und ein "fast unbeschriebenes Blatt" sei, müsse zwar klarmachen, wofür sie steht, dürfe sich dabei aber nicht aufs Glatteis führen lassen. Denn im Intensivwahlkampf der kommenden Wochen würden vor allem die TV-Auftritte der Kandidaten entscheidend sein. Der dort von den Zusehern gewonne Eindruck wäre danach fixiert - "freezing" nennen das Politologen.
Rauf aufs Glatteis
Die mediale Themenlage, dominiert von Flüchtlingen und Terrorgefahr, lässt die Kandidaten in Interviews auf Fragen antworten, die weit außerhalb der eigentlichen Befugnisse des Bundespräsidenten liegen. "Es ist dennoch bemerkenswert, wie stark sich die Kandidaten auf das Was-wäre-wenn-Spiel einlassen", erklärt Hofer. Der unabhängige und doch grüne Kandidat Alexander Van der Bellen habe sich mit seiner Ankündigung, in keinem Falle FPÖ-Chef Strache als Bundeskanzler angeloben zu wollen, frühzeitig ein Eigentor geschossen. Hofer: "Klar muss sich Van der Bellen als ehemaliger Grüner auch abgrenzen. Mit einer solchen Ansage zementiert er sich jedoch ein." Wer für eine Erbschaftssteuer eintritt oder nicht, welche Regierung man angeloben würde oder auch nicht und welche Haltung man beim Asylthema einnimmt, ist für das Amt von keiner Relevanz. Wie eine schwere Wolke hängen die Krise der (ehemaligen) Großparteien, das Umfragehoch der FPÖ und die spätestens 2018 stattfindende Nationalratswahl über dem Bundespräsidentschaftswahlkampf.
Klassische Plakate
Abseits des thematischen Minenfelds im TV scheinen Plakate als klassische Wahlkampfmittel an Bedeutung zu verlieren, so Politikexperte Hofer. Diese würden sich vor allem an die Teams der jeweiligen Parteien und die eigene Basis wenden, sie sollen Funktionäre mobilisieren. Dass die Plakate für den eigentlichen Wahlkampf wenig Bedeutung haben, stellt die Wiener Politologin und Bildwissenschafterin Petra Bernhardt infrage. Schon Anfang des Jahres schlug ÖVP-Kandidat Andreas Khol vor, im Wahlkampf keine Plakate zu affichieren. Verzichten wollte darauf aber niemand. Aus gutem Grund. Plakate sind günstig, reichweitenstark und können Inhalte auch unabhängig von der Kernzielgruppe auf den Punkt bringen.
Die Kandidaten setzen dabei auf klassische Kandidatenporträts und Kernbotschaften - Sicherheit und Service bei Rudolf Hundstorfer, Erfahrung bei Khol, Heimat bei Norbert Hofer. Letzterer brauche als eher unbekannter Kandidat die Nähe seiner Partei, der FPÖ, erklärt Bernhardt. Auf deren in den vergangenen Wahlkämpfen gut eingeführten Kampagnensujets könne Hofer nicht verzichten. Von der Möglichkeit, über Bildbotschaften ein breiteres Themenspektrum zu besetzen, mache nur Van der Bellen Gebrauch. Geschickt benutze er von der SPÖ und der ÖVP längst eingeführte Sujets (alpiner bzw. urbaner Raum) und verbinde diese mit seiner eigenen, auch von Fluchterfahrung geprägten Biografie. Wie im US-Wahlkampf verpasse sich Van der Bellen eine biografische Erzählung, die seine Eignung für das angestrebte Amt unterstreichen soll.