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Komorowski gegen Kaczynski: Die Polen entscheiden am Sonntag über ihr künftiges Staatsoberhaupt.
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Dem Fußball lässt sich derzeit kaum entkommen, sprachlich ebenfalls nicht. Doch einige Metaphern sind ja auch aufgelegt, und sie nicht zu verwenden, wäre so etwas Ähnliches wie eine vertane Chance beim Freistoß.
Da geht also die polnische Präsidentenwahl in die Verlängerung. Und wie so oft ist die zweite Hälfte spannender, agieren die Spieler offensiver, erhöhen den Einsatz. Wenn der erste Urnengang am 20. Juni die Vorrunde war, aus der zwei Bewerber aufgestiegen sind, dann ist die Stichwahl am Sonntag das Finale. Das Elfmeterschießen gab es aber diesmal schon davor - in Form von Fernsehdebatten. Gleich zwei lieferten sich die Kandidaten für das höchste Amt im Staat, Bronislaw Komorowski und Jaroslaw Kaczynski, in den vergangenen Tagen. Und das Ergebnis war - beim üblichen Elfmeterschießen unmöglich - ein Remis, wie zahlreiche politische Beobachter befanden. Ging in der ersten Debatte Komorowski, der Kandidat der regierenden Bürgerplattform, knapp als Sieger hervor, schien die zweite Diskussion Oppositionsführer Kaczynski - ebenso knapp - für sich entschieden zu haben.
Wie sehr sich dies allerdings auf die Wahl auswirken wird, darüber lässt sich nur spekulieren. Dem ist aber genauso wenig zu trauen wie Umfragen. Die sagen zwar einen Sieg Komorowskis voraus, doch schon vor fünf Jahren wurde jener Kandidat Präsident, der es laut Umfragen eben nicht werden sollte: Jaroslaw Kaczynskis Zwillingsbruder Lech. Der Staatschef ist im April bei einem Flugzeugabsturz umgekommen, was die vorgezogene Präsidentenwahl auch nötig gemacht hatte.
Seine Person war in der Schlussphase des Wahlkampfs weniger präsent als in den Wochen zuvor, die Polen eine der seltsamsten Kampagnen seiner Geschichte gebracht hatten. Der Wahlkampf stand im Schatten eines Toten, danach brachte ihn das Hochwasser in Polen fast zum Stillstand.
Erst später begannen die Kandidaten, über ihre Programme zu sprechen, wenn auch nicht unbedingt detailliert. Dabei war die Außenpolitik ein Randthema, soziale und wirtschaftliche Probleme standen eher im Vordergrund. Was würden die Kandidaten dagegen unternehmen, dass Polens Bevölkerung durch Emigration und demographische Entwicklungen schrumpft?, fragten Journalisten in der Fernsehdebatte. "Die Wirtschaft ankurbeln", meinte Komorowski. "Familien fördern", sagte Kaczynski: "Kinder gebären muss in Mode kommen."
Wirtschaft? Da verwiesen beide Kandidaten auf die Regierungen ihrer Parteien. Komorowski hielt Kaczynski vor, während dessen Zeit als Premier vor fünf Jahren lediglich geplant und keine Reformen durchgesetzt zu haben. Immerhin sei das Budgetdefizit damals niedrig gewesen, konterte Kaczynski. Er bezeichnete Komorowski übrigens als Liberalen - und das war keineswegs als Kompliment gemeint. Aus Sicht Kaczynskis, der oft für einen paternalistischen Sozialstaat plädiert hatte, sind wirtschaftsliberale Ansätze ein Übel, das nicht immer notwendig ist.
In einem waren sich die Bewerber jedoch einig: Beide sind gegen eine Anhebung des Pensionsantrittsalters. Das hören die Wähler wohl gerne, doch wird auch Polen - wie andere europäische Staaten - nicht darum herumkommen, die Menschen erst später in den Ruhestand gehen zu lassen.
Wie das Finale am Sonntag ausgehen wird, ist jedenfalls offen. Sicher ist aber, dass der Sieger in zwei Jahren öfters in einem Stadion zu sehen sein wird. Da wird nämlich in Polen und der Ukraine die Fußball-Europameisterschaft ausgetragen.