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Präsidentenwahl in Serbien - Dritter Akt

Von Wolfgang Libal

Politik

Belgrad - Zum dritten Mal in diesem Herbst finden in Serbien - am 8. Dezember - Präsidentenwahlen statt. Der neuerliche Urnengang ist notwendig geworden, weil die bisherigen zwei Wahlgänge keine Entscheidung gebracht haben.


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Im ersten Wahlgang Ende September erhielt keiner der sechs Kandidaten die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Außerdem nahm nicht die vom Wahlgesetz geforderte Mehrheit der Wahlberechtigten der Republik Serbien an dem Wahlgang teil. Beim zweiten Wahlgang 14 Tage später im Oktober standen sich der Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien, Vojislav Kostunica, und der stellvertretende Ministerpräsident Jugoslawiens, Miroljub Labus, ein anerkannter Wirtschaftsexperte, gegenüber. Es siegte Kostunica, aber die Wahlen waren wiederum ungültig, weil die Wahlbeteiligung neuerdings unter 50 Prozent der Wahlberechtigten lag. Also mussten sie wiederholt werden. Und das geschieht nun am 8. Dezember.

Damit es nicht auch diesmal einen Flop gibt, wurde das Wahlgesetz geändert. Zwar gilt für den ersten Wahlgang weiterhin die Bestimmung, dass der Kandidat gewählt ist, der die Mehrzahl der abgegebenen Stimmen erhält, vorausgesetzt, dass mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen ist. Sonst findet ein zweiter Wahlgang statt, an dem die zwei Kandidaten teilnehmen, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben. Gewählt ist jetzt derjenige Kandidat, der jetzt die meisten Stimmen erhalten hat. Die Bestimmung, dass sich die Hälfte der Wahlberechtigten an diesem Wahlgang beteiligen müssen, ist fallen gelassen worden.

Diesmal werden sich am 8. Dezember nur drei Kandidaten für das oberste Amt der Republik bewerben. Es kandidiert wiederum der jetzige Präsident der kaum noch existierenden Bundesrepublik Jugoslawien, Vojislav Kostunica, ein National-Konservativer, der schon in den bisherigen zwei Wahlgängen die meisten Stimmen erhalten hat, ferner der Ultra-Nationalist Vojislav Seselj und schließlich Borislav Pelevic von der "Partei der serbischen Einheit", einer ebenfalls rechtsradikalen Gruppierung. Miroljub Labus, der als Vertreter der "Reformisten" bisher kandidiert hatte, hat auf eine Teilnahme an den Wahlen verzichtet.

Die meisten Meinungsforscher in Belgrad sind skeptisch, dass es bereits im ersten Wahlgang zu einer Entscheidung kommen wird. Sie verweisen auf die allgemeine Politikverdrossenheit in der Bevölkerung und bezweifeln, dass mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten zu den Urnen gehen wird. Ein Nachfolger des derzeitigen serbischen Präsidenten Milutinovic, eines getreuen Gefolgsmannes von Milosevic, dessen Mandat Anfang Jänner abläuft, dürfte daher erst im zweiten Wahlgang gefunden werden.

Die politische Abstinenz der Wähler ist offensichtlich darauf zurückzuführen, dass sie sich von einem Wechsel auf dem Präsidentenstuhl sowieso keine Wendung zum Besseren erwarten. Die Kandidaten haben deshalb beinahe völlig auf eine Wahlwerbung verzichtet. Noch nie haben in Serbien so "stille" Wahlen stattgefunden. Es gibt keine Wahlplakate, keine Wahlversammlungen, keine Konfrontationen im Fernsehen.

"Serbien befindet sich in einer tiefen Krise", sagte unlängst Miroljub Labus. Zwei Jahre nach dem Sturz von Milosevic ist es dem Parteienbündnis DOS mit Ministerpräsident Zoran Djindjic an der Spitze nicht gelungen, wirksame Reformen zu verwirklichen. Vor allem paralysierte der Konflikt zwischen Kostunica und Djindjic jegliche Reformpolitik. Außerdem ist der Apparat des Milosevic-Regimes in Polizei, Justiz, Verwaltung und Armee noch immer an den Schaltstellen der Macht wirksam.

Zwar gibt es zurzeit zwischen Kostunica und Djindjic eine Art Waffenstillstand. Wie lange er allerdings halten wird, sollte Kostunica die Wahlen gewinnen, was vorauszusehen ist, ist ungewiss. Denn Kostunica hat bereits angekündigt, dass er sich für eine neue Verfassung der Republik und auch für vorgezogene Neuwahlen ins Parlament einsetzen wird. Und das wird nicht ohne neue Konflikte mit Djindjic, der seine Machtposition behalten will, abgehen.

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Vojislav Kostunica

Der derzeitige jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica (Jahrgang 1954) gilt als einziger wählbarer Kandidat der Wahlen am kommenden Sonntag. Kostunica, der 1989 mit dem derzeitigen Premier Zoran Djindjic die Demokratische Partei gegründet hatte, gilt heute als scharfer Gegner von Djindjic, von dem in inhaltliche und persönliche Differenzen trennen.

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Vojislav Seselj

Der 1954 in Sarajewo geborene Vojislav Seselj kandidierte bereits 1990 und 1997 für das Präsidentenamt. Der ehemalige Dissident, der mehrmals im Gefängnis gelandet war, führt die ultranationalistische Serbische Radikale Partei an und war unter Milosevic Vizepremier. In Belgrad kursieren Gerüchte, dass das UN-Kriegsverbrechertribunal eine Anklage gegen ihn ausgearbeitet hat.

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Borislav Pelevic

Der 1956 im Kosovo geborene Borislav Pelevic hatte im ersten Wahlgang im September nur knapp vier Prozent der Stimmen erhalten. Die Kandidatur der ehemaligen engen Mitarbeiters des im Jänner 2000 ermordeten Mafiabosses Zeljko Raznatoviv (Arkan) wird als Versuch interpretiert, die düstere Kriegsvergangenheit von Raznatovics zu vertuschen.