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Präsidentenwahlen -3. Versuch

Von Wolfgang Libal

Politik

Im spanischen Saal auf der Prager Burg werden die Abgeordneten und Senatoren des tschechischen Parlamentes am Freitag, dem 28. Februar, den dritten Versuch unternehmen, einen Nachfolger für Vaclav Havel auf dem Hradschin zu wählen.


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In den bisherigen zwei Wahlrunden haben parteipolitische Manöver es verhindert, dass einer der jeweiligen Kandidaten die erforderliche Stimmenanzahl erhielten. Aber das Präsidentenamt ist schon seit beinahe einem Monat verwaist, und die Bevölkerung möchte, dass das Land endlich wieder ein Staatsoberhaupt bekommt. Werden sich die Politiker diesmal ihrer Verantwortung bewusst sein?

Es stehen sich jetzt zwei Kandidaten gegenüber: der ehemalige Regierungschef und Vorsitzende der bürgerlich-konservativen ODS-Partei Vaclav Klaus (61) und der Philosoph und Universitätsprofessor Jan Sokol (66). Klaus hatte sich schon in den bisherigen zwei Wahlrunden um das höchste Amt im Staat beworben, war aber erfolglos geblieben, ebenso wie die übrigen Kandidaten. Jan Sokol tritt zum ersten Mal in die Wahlarena. Aufgestellt hat ihn praktisch die derzeitige Regierungskoalition mit der stärksten Partei, den Sozialdemokraten und Ministerpräsident Vladimir Spidla an der Spitze, er wird aber auch von den kleinen Koalitionsparteien getragen.

Beide würden sich als Herren auf dem Hradschin gut ausmachen: Klaus als erfahrener, international respektierter Politiker, Sokol als untadelige, über den Parteien stehende Persönlichkeit, die sich nicht in die Tagespolitik einmischen, sondern, wie er sagte, höchstens als "Notbremse" wirken würde.

Wer nun von den beiden als neuer Herr auf dem Hradschin einziehen wird - das wagt kein Politiker oder Publizist in Prag vorauszusagen. Bei den Abgeordneten und Senatoren sind zu viele Unwägbarkeiten mit im Spiel, als dass eine Prognose möglich wäre. Außerdem macht die komplizierte Wahlordnung irgendwelche Berechnungen schwierig - es sind wieder drei Wahlgänge notwendig, wobei Abgeordnete und Senatoren zuerst getrennt und erst im dritten Wahlgang zusammen abstimmen - und ihre Stimmen zusammengezählt werden. Wer die absolute Mehrheit erzielt, gilt als gewählt.

Entscheidend aber wird das Verhalten der sozialdemokratischen Abgeordneten und Senatoren sein. Die Partei ist gespalten und es ist nicht sicher, ob der Zeman-Flügel auch den vom Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Vladimir Spidla aufs Schild gehobenen Kandidaten Sokol wählen wird. Der ehemalige Regierungschef und Parteivorsitzende Milos Zeman, der in der zweiten Wahlrunde als Kandidat gescheitert war, hat jedenfalls vor der entscheidenden Sitzung der sozialdemokratischen Fraktion völlig überraschend die Abgeordneten und Senatoren seiner Partei aufgefordert, Sokol nicht zu wählen. Das richtete sich eindeutig gegen Spidla, dem er eine weitere Niederlage bereiten wollte und auch beim Parteikongress Ende März als Parteivorsitzenden stürzen möchte.

Außer diesem innerparteilichen Gerangel bei den Sozialdemokraten spielen bei der Präsidentenwahl noch andere "Besonderheiten" mit. Nach beinahe 60 Jahren ist noch die Vertreibung der Sudetendeutschen ein Thema der Auseinandersetzungen. Dem Kandidaten Sokol werfen vor allem die Kommunisten vor, zu freundlich gegenüber den Sudetendeutschen zu sein, weil er deren Zwangsaussiedlung als "einen Akt kriegerischer Gewalt" bezeichnet hatte.

Überhaupt könnten die 41 kommunistischen Parlamentarier die Wahl insofern beeinflussen, als die sich entweder der Stimme enthalten oder Vaclav Klaus, den sie früher als "Kapitalisten" heftig bekämpft hatten als das "geringere Übel", wie sie sagen, wählen.

So wird auch die dritte Runde der Präsidentenwahl spannend werden. Sie sollte endlich eine Entscheidung über den Nachfolger Vaclav Havels bringen; schließlich ist die Bevölkerung in ihrer Mehrheit dafür, dass die Politiker ihrem bisherigen unwürdigen Spiel ein Ende bereiten.