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Dilma Rousseff könnte die Macht in vier Jahren wieder an ihren Mentor Lula zurückgeben. | Brasilien. Brasilien wird erstmals in seiner Geschichte von einer Frau regiert. Dilma Rousseff, die Wunsch-Nachfolgerin des scheidenden Präsidenten Lula da Silva, gewann die Stichwahl um das Präsidentenamt mit 56 Prozent der Stimmen klar gegen ihren Herausforderer Jose Serra.
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Lula da Silva hätte vermutlich die Wahl ebenso gewonnen, aber er darf nach zwei vierjährigen Amtszeiten nicht mehr kandidieren durfte. Rousseff kündigte an, Lulas Politik fortzusetzen.
Auch bei Rousseffs Wahlparty gab es "Olé, Olé, Lula, Lula"-Rufe zu hören. Lula selbst war nicht in das Hotel in Brasília gekommen. Er wollte Rousseff nicht die Show stehlen. Lulas Kurs gilt mit der Wahl Rousseffs als bestätigt. Er sieht sein politisches Erbe nun in guten Händen.
Lula wurde in Brasilien oft dafür belächelt, dass er seine Ausführungen unzählige Male mit den Worten begann: "Niemals zuvor in der Geschichte dieses Landes. .." Am Sonntag konnte er dies mit Fug und Recht sagen, denn "niemals zuvor in der Geschichte dieses Landes" wurde Brasilien von einer Präsidentin regiert, und niemals zuvor war seine Arbeiterpartei (PT) so lange an der Regierung.
"Das ist vielleicht die wichtigste Mission meines Lebens", sagte die Linkspolitikerin Rousseff, die am 1. Jänner das Amt von Lula übernimmt. Ihr fehlt das Charisma ihres Ziehvaters. Auch das wurde nach dem Sieg sichtbar. Die Ex-Energieministerin las rund 15 Minuten vom Blatt ab, versprach wie im Wahlkampf eine Ende der Armut in Brasilien, mahnte internationale Spielregeln für den Finanzmarkt an und bekräftigte die Bedeutung der Ölvorkommen vor der Küste für die Finanzierung sozialer Projekte. Der Auftritt war hölzern und trocken. Die Anspannung des Wahlkampfes war ihr anzumerken.
Nur wenige Minuten später ging der Wahlverlierer, Sao Paulos Ex-Gouverneur Serra, vor die Kameras. Er gratulierte Rousseff zum Wahlsieg. "Heute hat der Wähler gesprochen." Die Entscheidung nehme er mit "Respekt und Demut" an. Es war für den 68-jährigen Kandidaten der Sozialdemokratischen Partei bereits die zweite Niederlage. 2002 scheiterte in der Stichwahl gegen Lula. Seine Botschaft lautete trotzig: "Der Kampf geht weiter. Es lebe Brasilien."
Beide Kombattanten waren nach zwei Monaten Dauerwahlkampf heiser und erschöpft, und viele der 136 Millionen Wahlberechtigten nach der permanenten Beschallung durch Partei-Werbespots im Fernsehen und Radio zermürbt. 29 Millionen Brasilianer blieben trotz Wahlpflicht der elektronischen Urne fern. Die Kandidaten hatte sich im Wahlkampf wenig geschenkt und sich mit Vorwürfen und Anschuldigungen bis an der Grenze der Beschimpfung beharkt. Das soll nun vorbei sein. "Jetzt ist die Stunde der Einheit", sagte Rousseff. "Den Oppositionsparteien strecke ich die Hand aus."
Auf die Opposition dürfte sie aber gar nicht angewiesen sein, denn ihre Zehn-Parteien-Allianz verfügt im Kongress über eine satte Mehrheit. Lula soll nach dem 1. Jänner einer der engsten Berater Rousseffs bleiben. "Ich werde oft an seine Tür klopfen", versicherte sie. Ob es für Lula bei der nächsten Präsidentenwahl 2014 ein Kandidaten-Comeback gibt? "Ich weiß doch noch nicht einmal, ob ich bis dahin noch am Leben bin", sagte der Ex-Gewerkschafter, der am Mittwoch 65 Jahre wurde. Für ihn gebe es nach dem 1. Jänner 2011 zunächst nur ein Projekt: "Ich will ausspannen."