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Präsidentin mit Startschwierigkeiten

Von WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke

Politik

Ein umstrittenes Kabinett und Nordkoreas Atomtest überschatten den Amtsantritt


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Tokio/Seoul. Ein Mann sitzt allein in einem Nudellokal, eingerahmt von Trennwänden. Er sieht fern und hört bestürzt die Nachricht über den einsamen Tod eines Mannes. Im Nebengebäude sitzt eine ältere Frau, gekleidet in Rot, über Papiere gebeugt: Es ist Park Geun-hye, die 25. Februar Südkoreas Präsidentin und die erste Frau an der Staatsspitze des Landes wird. Die Zeitung The Hankyoreh spielt mit der einen Monat zuvor veröffentlichten Karikatur auf einen neuen Trend in Südkorea an: Alleinsein. Fast ein Fünftel der Südkoreaner im Pensionsalter lebt alleine; und auch für junge Leute sei alleine wohnen und essen immer gängiger.

Park Geun-hye sei ebenfalls eine Einzelgängerin. Sie ziehe sich gerne zurück, sei "unkommunikativ", so die Zeitung weiter. Beobachter vermuten, dass daher einige der Probleme kommen, mit denen sie schon jetzt zu kämpfen hat, noch bevor sie ins "blaue Büro" der Präsidentin einzieht. Man wirft ihr vor, dass sie sich nun aus ihren zu vage formulierten Kampagnenversprechen, die manche für unrealistisch weil kostspielig halten, herauswinden wolle. Auch die Besetzung ihres Kabinetts führte zu Kritik: Sie soll solche Kandidaten bevorzugen, von denen sie wenig Gegenwind erwarte.

So sei auch der designierte Premierminister Kim Yong-joon, ein ausgebildeter Jurist, ganz nach ihrem Gusto, da sehr verschwiegen, monieren Kritiker. Doch schon wenige Tage, nachdem Kim zum Premier auserkoren wurde, kamen Gerüchte auf, er habe seinen Söhnen den Wehrdienst erspart. Anderen künftigen Kabinettsmitgliedern hängen umstrittene Aussagen nach, wieder andere gehörten zum Dunstkreis von Parks Vater Park Chung-hee, der Südkorea fast zwei Jahrzehnte quasi diktatorisch regierte.

Besonders umstritten ist das designierte Wirtschaftsteam um Finanzminister Hyun Oh-seok und Wirtschaftsminister Cho Won-dong. Während die Präsidentin den Wohlfahrtsstaat ausbauen will, etwa durch Übernahme der vollen Behandlungskosten bestimmter Krankheiten, gelten sie als neoliberal eingestellt - und überaus wohlhabend. Damit stoßen sie vor allem solche Wähler vor den Kopf, die sich von Park erhofften, die sozialen Unterschiede in Südkorea zu mindern, die für immer mehr Spannungen in der Gesellschaft sorgen.

Eines der zentralen Themen der Präsidentschaftswahlen war daher auch, die Macht von Großkonzernen wie Samsung und Hyundai zu beschneiden und dafür kleinere und mittlere Betriebe zu fördern. Dafür baut Park derzeit die Regierung um. Ob sie ihre Wunschkandidaten durchbekommt, entscheidet das Parlament in einer Anhörung nach ihrem Amtsantritt.

Parks Haltung zu Nordkorea ist vorerst noch unklar

Auch außenpolitisch wird Park keinen leichten Start haben. Sah es zu Jahresbeginn noch so aus, als öffne sich Nordkorea, als wolle es wirtschaftlich mehr kooperieren - Nordkoreas Diktator Kim Jong-un sprach gar vom Wunsch nach Wiedervereinigung -, machte der Atomtest am 12. Februar diese Hoffnung auf längere Sicht zunichte. Professor Tadashi Kimiya von der Universität Tokio sagt, dass es Nordkorea nicht ernsthaft um eine Wiedervereinigung gehe. Sondern das Land brauche dringend Devisen und versuche, sich von China als seinem Haupthandelspartner zu lösen, erklärt der Korea-Experte der "Wiener Zeitung". Südkorea hingegen spekuliere auf den Fall des Regimes im Norden und erhoffe sich eine "absorbierte Wiedervereinigung", indem Südkorea den nördlichen Nachbarn in sich aufnehme. Dadurch bekäme Südkorea unkompliziert Zugang zu Bodenschätzen wie Kohle und seltene Erden, von denen Südkoreas hochentwickelte Elektronikindustrie profitieren würde.

Der scheidende Präsident Lee Myung-bak regte 2010 sogar eine Wiedervereinigungssteuer an - blieb jedoch gegenüber dem nordkoreanischen Nachbarn sehr unnachgiebig. Versuche des Nordens, humanitäre Hilfe über die Einwilligung zu Gipfeltreffen zu erpressen, lehnte Lee ab. In seiner Abdankungsrede verurteilte er den Atomtest Nordkoreas scharf, das Land isoliere sich dadurch selbst. Doch auf sein Atomprogramm zu verzichten, wie es Südkorea und die USA fordern, kam für Nordkorea bisher nicht in Frage. Dadurch gerieten Verhandlungen immer wieder an Grenzen.

Park Geun-hye sprach in ihrem Wahlkampf vage von einer "Evolution" der Beziehungen zwischen Seoul und Pyongyang. Was sie damit genau meint, ist - wie viele ihrer Vorhaben - noch unklar. Experten siedeln sie zwischen den Hardliner Lee und dem Vorgänger Kim Dae-jung an, der für seine nordkoreafreundliche "Sonnenscheinpolitik" sogar den Friedensnobelpreis erhielt. Zwar verurteilte Park den Atomtest Nordkoreas und nannte ihn eine "schwere Bedrohung". Doch insgesamt schlägt sie einen verhandlungsbereiteren Ton als Lee an. Ihr Vorschlag, eine parteiübergreifende Kommission einzuberufen, um die Krise zu meistern, wurde von der Opposition begrüßt.