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Überschattet von der Kontroverse um das Mediengesetz übernimmt Ungarn am heutigen Donnerstag offiziell die EU-Ratspräsidentschaft vom bisherigen Vorsitzland Belgien. Die Übergabe sollte am Abend in einer feierlichen Zeremonie im Budapester Parlament erfolgen. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban räumte im Vorfeld "taktische Fehler" im Konflikt um das Mediengesetz ein.
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"Ich stimme zu: Es war ein schlechter Start. Niemand will so starten", sagte der neue EU-Ratsvorsitzende. Doch glaube er nicht, dass die Debatte einen Einfluss auf die Ratspräsidentschaft haben werde.
Das ungarische Mediengesetz ist von Journalisten und EU-Spitzenpolitikern scharf kritisiert worden, weil seine Bestimmungen zur Gängelung der Presse eingesetzt werden können. So stellt es alle Fernseh- und Rundfunksender, Printerzeugnisse und Internetportale unter die Kontrolle der staatlichen Medienbehörde NMHH. Ihre Mitglieder stehen Orbans Fidesz-Partei nahe und haben eine Amtszeit von neun Jahren. Medien drohen drakonische Strafen von bis zu 720.000 Euro, wenn sie gegen die nicht eindeutig formulierten Vorschriften des Gesetzes verstoßen, etwa die Pflicht nach einer "politisch ausgewogenen" Berichterstattung.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sprach am Donnerstag von "Zweifeln" in Hinblick auf das ungarische Mediengesetz, die Budapest aufklären müsse. Die Pressefreiheit sei "ein heiliges Prinzip" der Europäischen Union und zähle zu ihren Grundwerten, betonte Barroso. Er wollte am Freitag in Budapest mit Orban zusammenkommen, anlässlich des traditionellen Auftakttreffens der EU-Kommissare mit den Ministern des neuen EU-Vorsitzlandes.
Orban bekräftigte indes das Festhalten an dem umstrittenen Gesetz. Änderungen könne es nur geben, wenn auch entsprechende Passagen im Medienrecht anderer EU-Staaten geändert würden, sagte er am Donnerstag vor Journalisten in Budapest. Ungarn akzeptiere jedes Verfahren, das die EU in dieser Frage eröffne, doch müsse der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung der EU-Staaten gewahrt bleiben, betonte der konservative Politiker.
Laut Orban gibt es im ungarischen Mediengesetz keine einzige Passage, die sich nicht auch in Gesetzen anderer EU-Staaten finden lasse. "Ich kann mir nicht eine Situation vorstellen, wo die EU sagt, dass diese oder jene Passage des ungarischen Mediengesetzes geändert werden sollte, während das deutsche, französische oder dänische Mediengesetz unverändert bleibt, obwohl es dieselbe Passage enthält."
Der ungarische Ministerpräsident wertete die "überstürzte" und "unnötige" Kritik einiger EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich als "Beleidigung" seines Landes. Nachdem Berlin seine Kritik bereits zurückgezogen habe, erwarte er dies auch von Paris. In Frankreich könne der Chef des Fernsehens von der Regierung ernannt werden, in Ungarn jedoch nicht, dennoch zweifele er nicht daran, dass Frankreich ein demokratisches Land sei, betonte er. "Kein Land hat das Recht, uns zu kritisieren, einschließlich Frankreich."
Orban betonte die gute Vorbereitung des "krisenerprobten Ungarn" auf den EU-Ratsvorsitz. Einer der Schwerpunkte der Präsidentschaft ist der Kampf gegen die Euro-Schuldenkrise, wo Budapest für sich selbst eine gute Bilanz zieht. Laut Orban wurde die Neuverschuldung von 7,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im vergangenen Juni auf 3,8 Prozent gesenkt, heuer soll das Maastricht-Ziel von drei Prozent erreicht werden.
(APA)