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Präsidentschaftskandidat Gauck - das mögliche Ende der Merkel-Koalition

Von Christine Zeiner

Analysen

Er will nicht schuld sein, dass die deutsche Regierung zerbricht, beteuert Präsidentschaftskandidat Joachim Gauck. Schuld hätte er ohnehin nicht, den Anlass dafür aber könnte er noch geben: Seit SPD und Grüne vor zwei Wochen den evangelischen Pastor und DDR-Bürgerrechtler Gauck für die Wahl am 30. Juni nominiert haben, geht es in den Regierungsparteien noch turbulenter zu als zuvor.


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Der Grund: Gaucks Popularität auch in den Reihen der Koalition. Auch Gauck räumt ein, zuletzt mehr Kontakt zum "nennen wir es bürgerlichen Lager" gehabt zu haben als zum linken - womit nicht die Linkspartei gemeint ist, zu der der einstige Regierungsbeauftragte der Stasi-Unterlagenbehörde kein gutes Verhältnis hat. Gauck wird von SPD, Grünen, Konservativen und Liberalen gleichermaßen geschätzt. Doch Union und FDP sollen eigentlich Christian Wulff wählen, 50 Jahre alt, Vize-CDU-Chef und Ministerpräsident von Niedersachsen.

Die Frage ist nun, wie viele das tun werden. Eigentlich haben Konservative und Liberale die Mehrheit in der Bundesversammlung, die den Präsidenten wählt. Doch die Wulff-Front bröckelt. In Sachsen etwa stimmten nicht alle anwesenden CDUler für die Wahlleute-Liste der Union. Die Liste von SPD und Grünen bekam dafür mehr Stimmen, als beide Klubs Sitze haben. Die CDU-Politikerin Vera Lengsfeld wirbt in ihrer Partei für Gauck ebenso offen, wie sich viele Liberale für den "Freiheitskämpfer" aussprechen.

Gauck ist greifbar, hat eine Geschichte, ist kein Parteifunktionär. Ein Leben lang setzte sich der heute 70-Jährige für Freiheit ein, vor allem in der friedlichen Revolution 1989. Das kommt an.

Von SPD und Grünen war es ein kluger Schachzug, genau jetzt genau ihn als Kandidaten vorzuschlagen. CDU, CSU und FDP sind im Dauerclinch. Die Liberalen sind dazu nicht gerade begeistert von der Idee, die Wahl Merkels, die auf Wulff fiel, mittragen zu sollen. Kein abfälliges Wort lässt zudem Gauck über Merkel oder ihr Kabinett fallen. Seine Wahl müsse "keineswegs das Ende" der Regierung sein, wie es in den Medien so heiße, gleichwohl er die taktischen Gründe jener, die ihn nominierten, freilich kenne, erklärt er.

Ohne die Stimmen der Linkspartei wird es freilich eng für Gauck. Schon jetzt ist es eng für jemand anderen, nämlich für die Kanzlerin. Nach Steuergeschenken besonders für Hoteliers im vergangenen Dezember, von denen Ökonomen aus allen Lagern abgeraten hatten, verärgert jetzt das geplante Sparpaket die Deutschen. Hätte sie nicht in kürzester Zeit Christian Wulff aus dem Hut gezaubert, sondern einen überparteilichen Kandidaten in Erwägung gezogen, Angela Merkel hätte die Wogen ein wenig glätten können.