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Praxis contra Höchstgericht

Von Walter Hämmerle

Politik

Wahlhilfe für Besachwaltete und Behinderte in Kritik - Böhmdorfer: Wahl wurde nicht wegen Manipulation aufgehoben.


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Wien. Die unfreiwillige Verschnaufpause bis zur auf den 4. Dezember aufgeschobenen Stichwahl-Wiederholung für das Amt des Bundespräsidenten nutzt die FPÖ für eine Debatte über die weitergehenden Folgen der Verfassungsgerichtshof-Entscheidung. Die könnte sich dank ihrer Detailfülle für die Politik noch als Überraschungsei erweisen.

Wählen als "höchstpersönliches Recht"

So dürfte künftig die von vielen Pflegeeinrichtungen, Seniorenheimen und Krankenhäusern gehandhabte Praxis bei der Ermöglichung des Stimmrechts ihrer Betreuungspersonen nicht aufrechtzuerhalten sein. "Das Wahlrecht schließt als höchstpersönliches Recht jedenfalls die Wahl durch Stellvertreter aus. Die Beantragung der Wahlkarte und die Abgabe der eidesstättigen Erklärungen bilden untrennbare Bestandteile des Wahlvorganges und sind deshalb ebenfalls zwingend durch den Wahlberechtigten selbst vorzunehmen", zitierten die Rechtsanwälte Dieter Böhmdorfer und Rüdiger Schender, welche die Wahlanfechtung im Namen der FPÖ vor den VfGH gebracht hatten, am Mittwochabend bei einer Veranstaltung aus dem Erkenntnis.

Tatsächlich agieren etliche Einrichtungen als Vertreter der Wahlberechtigten, vor allem bei der Beantragung von Wahlkarten und der Abgabe der eidesstattlichen Erklärung. Diese Problematik könne auch in Familien oder im Arbeitsleben auftreten, wo etwa das Sekretariat eine Wahlkarte für den Chef ordere. Mit dieser Frage "muss sich der VfGH beschäftigen". Wer keine Wahlkarte beantragen könne, sei von der Wahl ausgeschlossen, schließt Böhmdorfer aus dem Erkenntnis.

SPÖ-Pensionistenvertreter Rudolf Edlinger erklärte, dass es "seit vielen Jahren gängige Praxis" sei, dass Bewohnern von Pflegeeinrichtungen und Personen, die sich im Krankenhaus aufhalten, gefragt werden, ob eine Wahlkarte beantragt werden soll.

Politische Praxis contra Vorgaben des Höchstgerichts

Dies sei, so Edlinger, "eine bewährte und niederschwellige Hilfestellung, damit auch hochbetagte, bettlägerige und behinderte Menschen ihre Stimme abgeben können". Dass die FPÖ nun diesen Personen das Wahlrecht entziehen wolle, sei "ein Skandal". Auch Vertreter von ÖVP, Grünen und Betroffenen sprechen sich vehement dafür aus, dass auch behinderte und besachwaltete Personen ihr Wahlrecht, bei Bedarf eben mit Unterstützung, ausüben können. Kurz: Hier steht der politische Wille, möglichst allen Wahlberechtigten auch tatsächlich das Wahlrecht zu ermöglichen, im Spannungsfeld mit den Vorgaben des Höchstgerichts, das den Fokus auf die höchstpersönliche Ausübung des Wahlrechts legt. Naheliegender Ausweg: der verstärkte Einsatz sogenannter fliegender Wahlkommissionen. Fortsetzung garantiert.

An anderer Front sorgte Böhmdorfer für Klarheit: Dass im Zuge des fortgesetzten Wahlkampfs immer wieder FPÖ-Politiker behaupten, der VfGH habe aufgrund festgestellter Manipulationen aufgehoben, hält auch der ehemalige blaue Justizminister für "nicht korrekt", weil es bei der Anfechtung der Stichwahl gar nicht um Manipulation ging, sondern - im Kern - um die gesetzeskonforme Abwicklung der Briefwahl sowie die Bekanntgabe von Ergebnissen vor Wahlschluss. Die bewusst sehr knapp bemessene Frist für eine Wahlanfechtung - eine Woche nach Verkündigung des endgültigen Wahlergebnisses - macht eine Recherche behaupteter Manipulation für die anfechtende Partei nur schwer bis unmöglich. Nach Verstreichen dieser Frist bieten selbst belegte Manipulationen keine Handhabe mehr vor dem Höchstgericht. Diese können nur noch bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht werden.

Böhmdorfer bestätigte, mehrere Fälle möglicher Manipulation angezeigt zu haben. Allerdings wollte er weder zu Zahl noch Art der behaupteten Manipulation Stellung nehmen. Naheliegend ist, dass sich diese zur Mehrzahl gegen Beamte richten, die mit der Durchführung der Wahl beauftragt waren. So wurde am Donnerstag im Kärntner Landtag bereits der dritte Abgeordnete auf Antrag der Ermittlungsbehörden von seiner Immunität entbunden. Bei den Personen - zwei FPÖ-, ein SPÖ-Mandatar - handelte es sich um Wahlbeisitzer.

Spannung versprechen auch die privatrechtlichen Fragen im Hinblick auf allfällige Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche gegenüber der Druckerei der schadhaften Wahlkarten. Hier verweisen die FPÖ-Anwälte auf die Verpflichtung des Innenministeriums zur Kontrolle der gelieferten Wahlkarten und allfälliger Beanstandungen.