Welchen Niederschlag finden die aktuellen Forschungsergebnisse in den ärztlichen Praxen? - Die Wiener Ärztekammer wollte genau wissen, in welchem Maß die MedizinerInnen ihre diesbezügliche "Holschuld" wahrnehmen und beauftragte das FESSEL-GfK-Institut mit der Studie "Arzt und Fortbildung 2000", für die alle Wiener Ärztinnen und Ärzte zu ihrem Fortbildungsverhalten befragt wurden. Resultat: Nicht weniger als 92 Prozent der Wiener Ärzteschaft bilden sich trotz ihres enormen Zeitmangels mit Fortbildungsveranstaltungen weiter.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Etwas mehr als die Hälfte aller Wiener Ärztinnen und Ärzte besuchten im vergangenen Jahr Großveranstaltungen wie Symposien oder Kongresse. Trotzdem bleiben medizinische Fachbücher beziehungsweise Fachzeitschriften nach wie vor die bevorzugte Quelle zur ärztlichen Weiterbildung.
Aber auch die Technik hat bereits Einzug in die Ordinationen gehalten. 66 Prozent der Befragten nutzen bereits einen PC an ihrem Arbeitsplatz. Und von ihnen wiederum verfügen 78 Prozent über einen Internet-Zugang - und damit eine weitere Wissensquelle mit einem großen, internationalen Angebot - und 77 Prozent einen E-Mail-Anschluss.
Daher das Resümee des Fortbildungsreferenten der Ärztekammer für Wien, Univ.-Prof. Dr. Heinz Weber: "Die Wiener Patienten können zu Recht darauf vertrauen, von gut weitergebildeten Ärztinnen und Ärzten betreut zu werden."
Trotz des hohen Berufsethos hinsichtlich der ständigen Wissenserweiterung stehen die Wiener Ärztinnen und Ärzte - und auch das kam in der Studie eindeutig heraus - einer Fortbildungspflicht und einer Überprüfung des Gelernten negativ gegenüber. Weber: "Die bevorzugte Form der Wissensüberprüfung ist der freiwillige und anonyme Selbsttest." Den Grund dafür sieht Weber unter anderem im hohen Nutzungsgrad von ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen beziehungsweise im "Bewußtsein des raschen Wandels des medizinischen State of the Art".
Nur 21 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzten halten demnach eine Verpflichtung zu ärztlicher Fortbildung für sinnvoll und nötig. Die größte Zustimmung zur Kontrolle findet sich hier bei Ärzten bis 35 Jahre und unter den Fachärzten.
Ungenutztes Diplom
Das Diplom-Fortbildungsprogramm der Österreichischen Ärztekammer ist unter den Befragten zwar bekannt, jedoch wird die Einreichung eines Diploms entweder nur vage geplant oder überhaupt nicht angestrebt. Trotz der Bekanntheit haben bisher in Wien nämlich nur 10 Prozent um ein Diplom eingereicht oder eines erhalten. "Die Gründe dafür gilt es herauszufinden, um die Inhalte unserer Fortbildungsprogramme noch attraktiver zu gestalten", betonte Weber.
Innerhalb der Wiener Ärzteschaft herrscht einheitlich Zufriedenheit mit den Leistungen und den Fähigkeiten der Kolleginnen und Kollegen: Drei Viertel, 77 Prozent der Befragten, sind demnach überzeugt, daß die fachlichen Qualifikationen der österreichischen Ärzteschaft dem europäischen Standard entsprechen.
Auf die Frage, wie die Wiener Ärztinnen und Ärzte ihre eigenen fachlichen Qualifikationen beurteilen, schätzten sich 75 Prozent "dem europäischen Standard entsprechend" ein. Sechs Prozent hielten sich für "weit über dem europäischen Standard liegend". Nur knapp jeder zehnte Arzt erlebt die eigene fachliche Qualifikation als unterdurchschnittlich im europäischen Vergleich.
Die stärksten Defizite artikulieren Turnusärzte: Hier erlebt beinahe jeder vierte Befragte subjektive fachliche Defizite im Vergleich zu anderen Ärzten in Ausbildung in Europa.
Und noch etwas zeigte sich deutlich: Das Gros der Ärzteschaft ist an intensiven, aber kurzen Fortbildungsveranstaltungen in leicht erreichbarer Nähe interessiert, wofür vor allem der Zeitmangel zeichnet. Weitere wichtige Rahmenbedingungen sind Praxisorientiertheit, medizinischer Benefit und die Möglichkeit zur Diskussion mit Kollegen.
Weder ein anspruchsvolles kulturelles, noch ein kulinarisches oder sportliches Rahmenprogramm können etwaige Mängel in dieser Hinsicht kompensieren: Weniger als fünf Prozent der Befragten finden diese Art von unterhaltsamen Rahmenbedingungen attraktiv.