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Präzisionsmedizin ist machbar

Von Alexandra Grass

Wissen
Molekularbiologische Arbeit zeigt den Weg zur richtigen Krebstherapie.
© Fotolia/luckybusiness

Studie der Medizinuni Wien zeigt, dass Krebspatienten vom Einsatz individualisierter Therapien profitieren.


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Wien. Schwerkranken Krebspatienten, die auf die verfügbaren Standardtherapien nicht mehr ansprechen, könnte künftig geholfen werden. Zumindest einem doch beachtlichen Teil von ihnen, wie eine Studie von Wiener Onkologen und Krebsforschern zeigt. Den Weg dazu geben molekularbiologische Untersuchungen vor, wie die am Comprehensive Cancer Center der Medizinischen Universität Wien und des AKH Wien durchgeführte Exact-Studie aufzeigt. Bei 60 Prozent der massiv vorbehandelten Patienten konnte die Erkrankung mit speziellen zielgerichteten Therapeutika zumindest stabilisiert werden. Das progressionsfreie Überleben lag im Durchschnitt bei 209 Tagen, berichtete Studienleiter Gerald Prager am Mittwochabend vor Journalisten von den Fortschritten der Präzisionsmedizin.

Jedem die passende Arznei

Der Gedanke, jedem Patienten das für ihn passende Medikament zukommen zu lassen, ist kein neuer. Seit der Einführung zielgerichteter Therapien vor rund 20 Jahren versuchen die Forscher Marker zu bestimmen, um herauszufinden, wer von einer Therapie profitiert. Herkömmliche Biomarker gibt es nur einige, molekularbiologische Targets jedoch viel mehr. Allerdings konnten nur gegen 50 dieser Angriffsziele in den Tumorzellen bis heute schon passende Medikamente gefunden werden, betonte die Leiterin des Instituts für Krebsforschung der Medizinischen Universität Wien, Maria Sibilia.

Die Exact-Studie sollte nun aufzeigen, inwieweit die Bestimmung solcher Targets zielführend sein kann. Die Ergebnisse sprechen eine recht deutliche Sprache: Eine molekulare Profilerstellung mache durchaus Sinn und bringe für manche Patienten erhebliche Vorteile, so Prager.

"Normalerweise sprechen Krebspatienten auf die erste Therapielinie zum Beispiel ein Jahr an, bei der zweiten Therapielinie sind es dann sechs Monate, bei der dritten Therapieform drei bis vier Monate", erklärte der Onkologe. In der Studie sollte zumindest eine Erhöhung dieses progressionsfreien Überlebens gegenüber der zuvor letzten Behandlungsform erzielt werden.

Bei 36 von 55 Behandelten zeigte sich solch ein längerer Behandlungserfolg. "Bei 59,6 Prozent konnte eine Krankheitskontrolle erreicht werden. 27 Prozent der Patienten zeigten einen Rückgang des Tumors, bei vier Prozent verschwand er komplett", schilderte der Mediziner die neuen Daten. Einzelne Patienten überlebten trotz der sehr fortgeschrittenen Krebserkrankung bis zu an die 1000 Tage. Die Studie war im Jahr 2015 gestartet worden. "Diese Einzelfälle geben Mut, dass der Ansatz etwas bringt", so Prager.

Die Molekularbiologin schilderte die Herausforderung, vor der Forscher und Mediziner hier stehen. Beim Krebs handelt es sich um eine besonders komplexe Erkrankung. Schwierigkeiten bereitet die sogenannte Tumorheterogenität. Jeder Krebs ist genetisch unterschiedlich - und das nicht nur von Mensch zu Mensch, sondern auch von Krebszelle zu Krebszelle in einem Tumor. Aus diesem Grund werden heute Gewebeproben von verschiedenen Stellen der Geschwulst entnommen, um das Material "gepoolt" sequenzieren zu können. "Man hofft, auf diese Art und Weise ein Spektrum der Veränderungen zu erhalten."

Stetige Veränderung

Das ist wichtig, um angreifbare Zielstrukturen finden zu können. Die Bestimmung solcher Targets hat auch zur Folge, dass effizientere Therapiekombinationen angewendet werden können.

Aber auch während der Behandlung selbst verändert sich die Genetik des Tumors. Daher müssen auf Grundlage weiterer molekularbiologischer Untersuchungen die zielgerichteten Therapien auch während des Verlaufs der Krankheit adaptiert werden. "Medikamente können so viel gezielter eingesetzt werden und auch unnötige Nebenwirkungen vermieden werden", betonte Sibilia.

Die Studie wurde aus den Mitteln der Medizinischen Universität Wien und des AKH finanziert. Die Medikamente hatten die Pharmafirmen zur Verfügung gestellt. Bei bestätigtem Nutzen wurden die Kosten der Therapie von der jeweiligen Krankenkasse übernommen.

Mit der Studie konnten die Forscher aufzeigen, dass das Konzept der Präzisionsmedizin wirkt und damit künftig stärker in den klinischen Alltag eingebaut werden könnte.