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Prediger und Fatalisten

Von Walter Hämmerle

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Überraschung: Die heimische Innenpolitik hat sich als hartnäckiger erwiesen, als die Journalisten erwarteten.


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Professionelle Kommentatoren der heimischen Innenpolitik lassen sich dieser Tage (und wenn man ehrlich ist, schon sehr viel länger) grob gesprochen, in zwei Gruppen einteilen: In die Ho-ruck/Gemmas-an/Hopp-auf-Prediger, die ihren Glauben an die Reformkraft nicht aufgeben wollen, und in die Alles-Trotteln-Fatalisten. Die Grenzen sind natürlich alles andere als wasserdicht, immerhin überkommen auch den unverbesserlichsten Optimisten zur grundsätzlichen Reformkraft einer großen Koalition in schwachen Momenten hartnäckig nagende Zweifel an dieser Hypothese über die politische Wirklichkeit. Und auch die Härtesten der Harten unter den Verächtern des hiesigen Politikbetriebs geraten dann und wann ins Grübeln über diese ihre pessimistische Grundannahme, wenn sie sich denn einmal, womöglich gar an einem wunderbaren Frühlingstag, im Land um sich blicken - und zu ihrer völligen Überraschung reihum erstaunlichen Wohlstand erblicken.

Jetzt herrscht jedoch Winter und der Frühling ist fern. Mit Milde gegenüber der Arbeit unserer beiden Regierungsparteien ist deshalb, wenn überhaupt, so schnell nicht zu rechnen.

Eine gänzlich andere Frage ist, ob mit solchen biederen journalistischen Methoden tatsächlich der Kern der österreichischen Machtapparatur den Bürgern offengelegt werden kann. Erhebliche Zweifel sind angebracht.

Eigentlich sollte sich ja durchaus herumgesprochen haben, dass sich Politiker eher nicht von Zeitungskommentatoren zu ehrgeizigen Reformvorhaben hinreißen lassen. Leitartikler könnten sich buchstäblich die Finger wund schreiben und Reformen in Sachen Bildung, Verwaltung, Steuern und was sonst noch alles einfordern - bei der so angesprochenen Regierung wird man allenfalls ein bemühtes Lächeln ernten (im persönlichen Gespräch womöglich sogar ein zustimmendes, wenngleich stummes Nicken). Das ist es dann aber auch schon wieder.

Naturgemäß findet der niedergeschriebene Generalverdacht, bei unseren Volksvertretern handle es sich um eine ausgewählte Gruppe mit fragwürdigen Charaktereigenschaften, genau so wenig konstruktive Resonanz bei seinen Adressaten. Wahrscheinlich sogar eher noch weniger.

Es mag daher bitter sein für die schreibende und sendende Zunft, aber ihr realer Einfluss auf die Weltenläufe ist weitaus geringer, als sie wohl selbst vermuten würde. Und, um ein klein wenig konkreter zu werden: Mit dem Einfluss der Zeitungen in Österreich verhält es sich umgekehrt proportional zur flächenmäßigen Größe ihres Erscheinungsformats. Ausnahmen bestätigen diese Regel.

Für alle diejenigen, die von dieser groben Faustregel unserer innenpolitischen Verhältnisse negativ betroffen sind, heißt es nachzudenken, wie sich dem Phänomen der hiesigen Entscheidungslogik annähern. Der gefühlt millionsten Aufforderung, doch bitte endlich dies oder jenes zu reformieren, jetzt noch weitere verzweifelte Appelle folgen zu lassen, ist eher keine Lösung.

Was bleibt, ist, die Folgen dieses fortgesetzten Nichthandelns aufzuzeigen.