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Preis für einen Abwesenden

Von Martyna Czarnowska aus Strassburg

Politik

Kuba-Dissident durfte nicht zu seiner Ehrung fahren. | Straßburg. Und er war doch präsent. Kahlköpfig, mit nacktem abgemagertem Oberkörper schaute Guillermo Farinas mit großen Augen in die Ferne - auf den riesigen Plakaten und den kleinen Postern, die an die Glaswände der Brücke zwischen den Straßburger Parlamentsgebäuden geklebt wurden. Doch im Plenarsaal blieb der Sessel für den Preisträger leer. Kubas Behörden haben den Regimekritiker nicht zur Zeremonie nach Frankreich reisen lassen, um den Sacharow-Preis für geistige Freiheit entgegenzunehmen, den das EU-Parlament heuer Farinas verliehen hat.


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Dieser war nicht der erste Laureat, der den mit 50.000 Euro dotierten Preis nicht persönlich abholen konnte. Auch der chinesische Menschenrechtsaktivist Hu Jia und die "Damen in Weiß", die sich auf Kuba für politische Häftlinge einsetzen, durften nicht nach Straßburg.

Parlamentspräsident Jerzy Buzek würdigte den Einsatz des 48-jährigen Farinas, der der Regierung in Havanna mit bereits 23 Hungerstreiks mehr Freiheiten für die Kubaner abtrotzen wollte. Seine letzte derartige Aktion hat der Psychologe und Internet-Journalist heuer fast mit dem Leben bezahlt. Er brach den Hungerstreik ab, nachdem die Regierung - nicht zuletzt auf Vermittlung der katholischen Kirche - 52 politische Gefangene freigelassen hatte.

Doch habe sich an der Autokratie des Regimes nichts geändert, erklärte Farinas per Audiobotschaft. "In den Augen der kubanischen Regierung sind wir Sklaven", sagte er. Und so wie Sklaven früher eine Erlaubnis zum Reisen gebraucht haben, brauchen die Kubaner jetzt ein ähnliches Dokument - ein Ausreisevisum.

Der Dissident verlangte die Freilassung aller politischen Gefangenen auf Kuba, die Zulassung von Oppositionsparteien und unabhängigen Medien sowie die Rücknahme aller Gesetze, die der Deklaration der Menschenrechte widersprechen. Diesen Forderungen könnte sich die EU durchaus anschließen, befand Buzek - und appellierte an EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton, einen Dialog mit der Zivilgesellschaft auf Kuba zu unterstützen.

Doch könnte der Druck auf den Inselstaat auch wirtschaftlicher Art sein, wie das Handelsembargo der USA zeigt. Zwar ist von derartigen Boykotten in der EU kaum die Rede und hat die Union vor mehr als zwei Jahren ihre diplomatischen Sanktionen gegen Kuba aufgehoben. Allerdings dürfe eine Annäherung des Landes und der EU nicht ohne Bedingungen ablaufen, meinte Parlamentspräsident Buzek. Wenn Kuba freien Handel wolle, müsse es sich für andere Länder öffnen - und für Menschenrechte ebenfalls.