Am Donnerstag werden in Stockholm die Nobelpreise übergeben. Lars Heikensten, Geschäftsführer der Nobelstiftung über Geldsorgen und das komplizierte Auswahlverfahren.
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Stockholm. In den Händen von Lars Heikensten liegen vier historische Milliarden - das Vermögen von Alfred Nobel, vor rund 150 Jahren mit dem Verkauf von Sprengstoff angehäuft. Heikensten ist seit 2011 Geschäftsführer der Nobelstiftung und damit für das Fortbestehen des Nobelpreises verantwortlich, dessen Preisgelder aus den Zinsen des Vermögens entstehen. In einem Gespräch mit der Wiener Zeitung gibt er Einblick hinter die Kulissen des "Preises des Preise".
Als ehemaliger Direktor der schwedischen Reichsbank ist er große Summen gewöhnt - und große Probleme. "Ab 2000 gab die Nobelstiftung mehr aus, als sie einnahm", sagt Heikensten. "Deshalb setzten wir 2012 das Preisgeld von zehn Millionen auf acht Millionen Schwedische Kronen herunter." Das entspricht etwa 870.000 Euro. Unter seiner Führung habe sich die Verwaltung verbessert und die Ausgaben seien um ein Fünftel gesunken.
Stiftung "in Balance"
Doch wo fließen sie eigentlich hin, die Zinsen auf Alfred Nobels Vermögen? "In die Preisgelder, die Feierlichkeiten und die fünf Nobel-Komitees - je eines für Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden", sagt Heikensten. Ob ausschweifende Feste die Misswirtschaft um die Jahrtausendwende bedingten? Dazu möchte er nichts sagen. Heute sei die Stiftung finanziell "in Balance".
So glamourös die Zeremonien um den Nobelpreis auch seien, die jährlich am Todestag des Dynamit-Erfinders in Stockholm den Fortschritt feiern - der Kern des Nobelpreises liege in der Auswahl der Nominierten. In seinen Grundzügen habe sich der Nobelpreis seit 1901 nicht verändert: Er würde denen zugeteilt, die "der Menschheit den größten Nutzen geleistet haben". So forderte es Alfred Nobel in seinem Testament, das er vor 120 Jahren im Schwedisch-Norwegischen Club in Paris unterschrieb. "Alfred Nobel wollte keinen Wettbewerb stiften, sondern dazu animieren, sich zum Wohl der Allgemeinheit anzustrengen." Heute gebe es unendlich mehr Literatur und Forschung als um 1900 - von mehr Menschen und aus mehr Ländern: "Als der Nobelpreis entstand, war diese Tätigkeit auf Europa und Nordamerika konzentriert." Die Entwicklung sei wunderbar - doch es dauere länger, auszeichnungswürdige Projekte herauszufiltern.
Zur Zeit seiner Entstehung war der Nobelpreis in Größe, Internationalität und Vielseitigkeit einzigartig. Heute gibt es hunderte Wissenschafts- und Literaturpreise. Mit einer Dotierung von 1,5 Millionen US-Dollar (1,4 Millionen Euro) stellt etwa der seit 2008 jährlich von Scheich Mohammed, Kronprinz von Abu Dhabi, überreichte Zayed Future Energy Prize den Nobelpreis finanziell in den Schatten. Heikensten und die schwedische Kronprinzessin Victoria waren bei der Preisverleihung 2011 sogar anwesend. Die Nobelstiftung kommentiert die Qualität anderer Preise nicht weiter als: "Ein Preis ist nur so gut wie sein Auswahlverfahren. Der Nobelpreis ist einzigartig, weil die beteiligten Institutionen seit über hundert Jahren exzellente Entscheidungen treffen."
Österreicher selten am Zug
In Schweden vergibt die Königliche Akademie der Wissenschaften den Nobelpreis in Physik und Chemie. Das Karolinska Institut ist für Medizin oder Physiologie verantwortlich und die Schwedische Akademie prämiert die besten Literaten. Das Norwegische Nobelkomitee entscheidet über den Friedensnobelpreis, der ebenfalls heute, Donnerstag, in Oslo überreicht wird. Die Mitglieder dieser Akademien, frühere Preisträger und einzelne auserwählte Professoren im Ausland können Vorschläge für Nominierungen abgeben. Die Institutionen bewerten die Kandidaten und wählen daraus die Gewinner.
Dass Österreicher selten zum Zug kommen, hat keinen bestimmten Grund. "Der Nobelpreis wird ohne Rücksicht auf Nationalität vergeben. Wenn einige Länder mehr Preise erhalten als andere, spiegelt das die Forschungskultur der Nation wider", sagt Gustav Källstrand vom Nobel-Museum in Stockholm. Vergangenen Dienstag war trotzdem ein Stück Österreich bei den Nobel-Feierlichkeiten vertreten: Franz Welser-Möst dirigierte das Stockholmer Philharmonieorchester beim Nobelkonzert.
Wissen
1866 erfand Alfred Nobel den ersten sicheren, aber trotzdem effektiven Sprengstoff, Dynamit. Schnell baute er ein riesiges Vermögen auf. Am 10. Dezember 1896 starb Alfred Nobel kinderlos. In seinem Testament verfügte er, dass eine Stiftung einzurichten sei, die alljährlich die besten Wissenschafter auszeichnet. Ein Komitee des norwegischen Parlaments wies er an, den Friedensnobelpreisträger zu küren.
Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin 2015 wird an William C. Campell und Satoshi Omura für ihre Therapie gegen parasitäre Würmer sowie an Tu Youyou für eine eine Behandlungsmöglichkeit gegen Malaria vergeben. Den Nobelpreis für Physik erhalten Takaaki Kajita und Arthur B. McDonald für den Beweis, dass Neutrinos Masse besitzen. Der Chemie-Nobelpreis wird an drei Erbgut-Forscher verliehen - Tomas Lindahl, Paul Modrich und Aziz Sancar für ihre Erkenntnisse zur DNA-Reparatur. Mit dem Literaturnobelpreis wird die Weißrussin Swetlana Alexijewitsch für ihr "Werk, das dem Leiden und dem Mut in unserer Zeit ein Denkmal setzt", geehrt. Der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geht an Angus Deaton für seine Arbeiten über Konsum, Armut, Ungleichheit und Gesundheit. Den Friedensnobelpreis erhält das tunesische Quartett (Gewerkschaftsverband, Arbeitgeberverband, Menschenrechtsliga, Anwaltskammer) für seine Bemühungen, eine pluralistische Demokratie in Tunesien aufzubauen. (est)