Zu Gast beim "Wiener NobelpreisträgerInnenseminar".
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Wien. Kann man die Frequenz - also die Wellenlänge - von Licht gut messen, kann man Atomuhren bauen, die genauer sind als die Uhren, die wir kennen. Navigationssysteme könnten einen künftig noch zielsicherer führen und Naturkonstanten in Frage gestellt werden. Möglich macht diese Weiterentwicklung in der Forschung und Industrie ein Präzisionsmessgerät namens Frequenzkamm.
Zu verdanken hat die Wissenschaft diese Errungenschaft dem deutschen Physiker Theodor Hänsch, der für die Entwicklung der sogenannten laserbasierten Präzisionsspektroskopie, einschließlich der optischen Frequenzkammtechnik, im Jahr 2005 den Nobelpreis für Physik erhalten hat. Am Rande des derzeit stattfindenden sechsten "Wiener NobelpreisträgerInnenseminar", an dem auch die beiden Laureaten Gerardus ’t Hooft und George Smoot teilnehmen, betonte Hänsch am Dienstag vor Journalisten: "Man muss das Interesse der Bevölkerung für die Wissenschaft wach halten." "So sind Länder, die keine Rohstoffe haben, wirklich angewiesen auf neue Ideen aus der Forschung, die am Ende sogar manchmal den Nobelpreis bringen."
Die Auszeichnung erreichte Hänsch nur ein Jahr vor seiner eigentlichen Pensionierung und ermöglichte ihm ein bis heute aktives Forscherdasein in Deutschland. Die Max-Planck-Stiftung und die Carl-Friedrich-von-Siemens-Stiftung unterstützen den Wissenschafter mit Forschungsmitteln für seine Arbeiten an der Universität München. "Man befindet sich plötzlich im Zentrum der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Politiker hören einem zu, die einen vorher gar nicht kannten", erinnerte sich Hänsch an die Zeit nach der Preisverleihung.
Die Größe des Protons
Die Frequenzkamm-Technik erlaubt Präzisionsmessungen an fundamentalen Systemen. Als Beispiel nannte der Forscher die Vermessung der Größe des Protons, was im vergangenen Jahr zu einem überraschenden Ergebnis geführt hat. So hat sein Team die Größe des Protons von einem exotischen Wasserstoffatom, den sogenannten myonischen Wasserstoff, vermessen. Hierbei kreist statt eines Elektrons ein 200 Mal schwereres Elementarteilchen namens Myon um das Proton. "Zu unserer Überraschung ist die Protonengröße in diesem Atom drastisch kleiner als beim normalen Atom - was nicht sein darf", erklärte der Physiker.
Das gibt zurzeit Rätsel auf, deshalb wird überprüft, ob bei dem Experiment etwas falsch gelaufen ist. In der Atomphysik geht man davon aus, dass die Teilchen alle identisch sind. Würden wir Unterschiede tatsächlich finden, "würde das unsere Modellvorstellung über den Haufen werfen".
Derzeit arbeitet der Physiker mit der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile zusammen, um den Nachweis erdähnlicher Planeten außerhalb unseres Sonnensystems ermöglichen zu können. Ab 2013 soll dort permanent ein Frequenzkamm installiert sein, um das Teleskop exakt eichen zu können.
In vielen physikalischen Experimenten sei es wichtig zu wissen, bei welcher Frequenz der Laser arbeitet. Da ein Laser im Allgemeinen nicht seine Frequenz hält, sondern immer wieder wegdriftet, ist es notwendig die Geräte regelmäßig zu überwachen. Besonders wichtig ist dies auch bei der Raumfahrttechnik. Derzeit wird für die europäische Raumfahrtorganisation ESA geforscht, um Frequenzkämme raumfahrtstauglich zu machen. Sie müssen erschütterungsresistent sein, unsensibel für kosmische Strahlung und besonders klein. Am Horizont würde sich eine Entwicklung hin zu Streichholzschachtel-großen Mini-Frequenzkämmen abzeichnen, die auf Chiptechnik und integrierter Optik basiert, so Hänsch.
Wie gefragt diese Geräte sind, zeigt die Tatsache, dass eine von Hänsch im Jahr 2001 gegründete Firma zu deren Produktion Profit abwirft und mittlerweile 60 Mitarbeiter beschäftigt. Der allererste Frequenzkamm wurde damals nach Österreich geliefert, an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen. Der Bedarf für Frequenzkämme wächst, weil man immer mehr Anwendungsgebiete findet. Etwa in der industriellen Prozesskontrolle oder zur medizinischen Diagnostik.
Suche nach Anwendungen
Auf die Frage, ob Grundlagenforschung wichtiger sei oder die Suche nach Anwendungen, meinte Hänsch, dies sei ein faszinierendes Wechselspiel. "Die Laserforschung geht ja von einem Werkzeug aus und sucht Anwendung. Die Anwendungen verlangen dann wiederum nach Lasern und Techniken, die es noch nicht gibt. Da muss man als Erfinder wieder etwas Neues schaffen."
Auch gelte es, zwischen akademischen Labors und neuen Produkten eine Brücke zu schlagen. Während dies in den USA einfacher sei, habe es in Europa noch lange Zeit Berührungsängste gegeben. Die Industrie blickte auf einen unantastbaren "Elfenbeinturm, und umgekehrt wollte die akademische Welt nicht in die Niederungen der industriellen Anwendungen hinabsteigen". Mittlerweile habe sich dies auch hierzulande stark geändert.
Ursprünglich hatte Hänsch in der Kernphysik begonnen, doch er wollte kein Baustein eines Teams in irgendeiner großen Beschleunigeranlage sein, sondern "mein eigener Herr mit meinem eigenen Experiment". So hatte er die Kernphysik an den Nagel gehängt und war in eine kleine Lasergruppe gekommen, um dort seine Diplomarbeit zu machen. Und: "Die Laser faszinieren mich immer noch."
Zur Person
Theodor Hänsch
Der 1941 in Heidelberg geborene Wissenschafter Theodor Hänsch erhielt im Jahr 2005 den Nobelpreis für Physik für die Entwicklung der laserbasierten Präzisionsspektroskopie, einschließlich der optischen Frequenzkammtechnik.