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Preisbildung für 50 Prozent "Krone"

Von Engelbert Washietl

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Der Autor ist Sprecher der "Initiative Qualität im Journalismus"; zuvor "Wirtschaftsblatt", "Presse" und "Salzburger Nachrichten".

Österreichs Massenblatt bleibt im Visier deutscher Großverlage. Die Familie Dichand macht das Beste daraus: Sie schaut zu und wartet ab.


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Im Norden Deutschlands weben die Nornen seit einem Vierteljahrhundert am Schicksal der "Kronen Zeitung". Derzeit sind sie wieder besonders aktiv. Der Verlagsgruppe WAZ mit Sitz in Essen im Ruhrgebiet gehören 50 Prozent der größten Boulevard-Zeitung Österreichs, und 49,4 Prozent am "Kurier" noch dazu. Die komplizierten Besitzverhältnisse der WAZ, die den Erben der beiden Unternehmensgründer Erich Brost und Jakob Funke gehört, sind im Umbau begriffen. Das ließ gleich auch die Frage aufkommen, was mit "Krone" und "Kurier" geschehen würde. Sie stellt sich mehr theoretisch, denn ein Riesenverlag wie die WAZ mit 27 Tageszeitungen und europaweit 15.000 Mitarbeitern wird beim Aufdröseln ihrer Besitzverhältnisse nicht am Wiener Donaukanal beginnen.

Jedoch, aufgescheucht durch das Getriebe, sprang überraschend der Axel-Springer-Verlag in den Ring und machte ein Superangebot für die Übernahme der ganzen WAZ, wobei gleich auch ein "erhebliches Interesse" an den Anteilen von "Krone" und "Kurier" mit der Angebotssumme von 200 Millionen Euro dokumentiert wurde. Das ist weniger glänzend, aber es wird sowieso nichts daraus, denn Springer hat sich einen Korb geholt. Dabei wurde das im Mediengeschäft übliche Geheimhaltungsritual durchbrochen - das Feilschen ist öffentlich dokumentiert. Die WAZ bestätigte das fünfseitige Angebotsschreiben des Springer-Vorstandschefs Mathias Döpfner samt wesentlichen Punkten.

Österreich-Ambitionen des Springer-Verlags sind nicht neu, ohne ihn gäbe es die Tageszeitung "Standard" nicht, die Oscar Bronner 1988 mit 50-prozentigem Anteil Springers gegründet hat. Die "Tiroler Tages-zeitung" ("TT") gehörte jahrelang sogar mehrheitlich zu Springer, Wolfgang Fellner bekam Starthilfe für das "News"-Magazin, doch zog sich das deutsche Verlagshaus 1995 aus dem "Standard", 1998 von "News" und 2003 aus der "TT" , zurück. Jetzt betreibt es offenbar eine hypothetische Preisbildung für "Krone" und "Kurier".

Noch zu Lebezeiten des "Krone"-Gründers Hans Dichand setzten Bemühungen ein, den deutschen Anteil zurückzukaufen, aber die WAZ wollte angeblich erst ab 200 Millionen Euro darüber reden, Dichand aber nicht mehr als 150 Millionen zahlen. Jetzt hat Springer "unverbindlich" 200 Millionen für "Krone" und "Kurier" zusammen geboten, woraus die Familie Dichand den Schluss ziehen kann, dass die WAZ auch von anderswo nicht mehr für ihren "Krone"-Anteil bekäme, als die Dichands hinlegen würden. Kein Grund also für die Österreicher, sich auf Lizitationen einzulassen.

Das "Krone"-Schicksal ist Richtung Zukunft offen. Angenommen, die Dichands könnten wirklich 100 Prozent erwerben, ginge das kartellrechtlich? Mit Blick auf die zum familiären Dichand-Imperium zählende Gratiszeitung "Heute" kaum. Aber andererseits: Wäre es realpolitisch denkbar, dass die "Heimholung" von 50 Prozent "Krone"-Anteil durch Kauf von der WAZ, also eine "österreichische Lösung", vom Kartellrichter verhindert würde?