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Preiskrieg im Supermarktregal

Von Sophia Freynschlag und Hermann Sileitsch

Wirtschaft
Lebensmittelhändler verschärfen den Preiskampf - zu Lasten der Hersteller. Foto: fotolia

Billa wirft "Zweit-, Dritt- und Viert- marken" aus Regal. | Kommissionschef: Behörde soll Lebensmittelhandel erneut untersuchen. | Wien. Billa läutet die nächste Runde beim Preiskampf im Einzelhandel ein, der den Lebensmittelherstellern immer stärker zusetzt. Diese Woche wurde die Eigenmarke "Billa" mit Heumilch-Molkereiprodukten gestartet. Bis Jahresende soll das Sortiment auf 250 Lebensmittel ausgeweitet werden - vom Müsli über Marmelade und Säfte bis Tiefkühl-Baguettes. Nicht bei allen "Billa"-Produkten ist österreichische Herkunft garantiert.


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"Wir haben noch keine starke Marke im Mittelpreissegment", begründete Billa-Vorstand Josef Siess die Markeneinführung am Freitag. Die Eigenmarke "Quality First" verschwinde dafür aus den Billa-Regalen.

Große sind noch größer

Auch für kleinere Markenhersteller könnte künftig kein Platz sein: "Wir werden sehen, welche starken Marken bleiben und welche ausgelistet werden. Es wird schwache Zweit, Dritt- und Viertmarken treffen", verkündete Siess. Das bedeutet, dass sich etliche österreichische Lebensmittelhersteller in Zukunft entscheiden müssen, ob sie im Auftrag von Billa produzieren oder aus dem Regal fliegen. Bei ihren eigenen Marken können die Händler noch stärker die Preise, das Angebot und das Marketing diktieren.

Billa-Mutter Rewe ist mit ihren Eigenmarken wie "Clever", "Billa" oder "Ja! Natürlich" längst nicht allein: Auch Konkurrent Spar setzt seit Jahren auf Handelsmarken wie "S-Budget", "Spar", "Spar Premium" oder "Natur pur". Diskonter Hofer ist fast nur mit eigenen Marken großgeworden.

"Die Entwicklung der Eigenmarken ist sehr dramatisch", sagt Klaus Wejwoda, Vorsitzender der Wettbewerbskommission, zur "Wiener Zeitung". "Der Lieferant wird damit austauschbar. Wenn ihm ein Auftrag wegbricht, hat er ein schweres Problem - egal, in welcher Lebensmittelsparte. Und wer bei Verhandlungen zittern muss, läuft Gefahr, kaufmännisch unvernünftig anzubieten."

Wejwoda empfiehlt der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) deshalb, besonderes Augenmerk auf die Branche zu legen. Die Wettbewerbskommission ist ein beratendes Organ und erteilt der Behörde laut gesetzlichem Auftrag einmal pro Jahr Schwerpunktempfehlungen. "Ich könnte mir vorstellen, der BWB im September zu empfehlen, dem Lebensmittelhandel nächstes Jahr einen besonderen Schwerpunkt zu widmen", sagt Wejwoda.

Schon einmal, 2007, hatte die Behörde eine Branchenuntersuchung vorgelegt. Diese hatte sich über Jahre gezogen, weil einzelne Hersteller bis vor den Obersten Gerichtshof gingen, um keine Angaben machen zu müssen - wohl aus Angst, Aufträge zu verlieren. Seither seien die Großen noch größer geworden, mit Adeg, die von Rewe übernommen wurde, ist ein Anbieter verschwunden. Die drei Größten (Rewe, Spar, Hofer) hätten jetzt 85 Prozent Marktanteil, sagt Wejwoda: "So eine außerordentliche Marktmacht gibt es in keinem anderen europäischen Land."

Was aber hat die letzte Untersuchung bewirkt? Wejwoda: "Der Umgangston in den Verhandlungen hat sich eine Zeit lang gebessert. Vielleicht ist es nötig, dann und wann Erinnerungshilfen zu geben."

Wer streift Gewinn ein?

Billa-Vorstand Josef Siess schießt sich hingegen auf die Markenhersteller ein: "Obwohl wir die Produkte 10 bis 20 Prozent günstiger anbieten, verdienen wir mit der Eigenmarke mehr als mit Markenartikeln. Da sieht man, wie hoch die Marge der Industrie ist." Beim Großteil des Sortiments (außer Milchprodukten) liege diese im zweistelligen Bereich.

Wejwoda dreht den Spieß um: Ihm liege eine Preiskalkulation von 1999 vor, wonach der Handel bei Trinkmilch eine Spanne von 14 Prozent einstrich. Heute betrage sie 28 Prozent. Die heimische Lebensmittelwirtschaft ist überdies mittelständisch strukturiert und kann mit internationalen Konzernen wie Danone oder Nestlé nicht mithalten.

Mit einem Eigenmarkenanteil von 28 Prozent liegt Österreich laut Nielsen auf Platz sechs in Europa, nach der Schweiz auf Platz eins mit 46 Prozent Eigenmarkenanteil sowie hinter Großbritannien und Deutschland.