Die österreichischen Strom- und Gasversorger werden derzeit von der Wettbewerbsbehörde unter die Lupe genommen. Der Vorwurf lautet auf unerlaubte Absprachen, da fast alle wichtigen Unternehmen zur selben Zeit die Preise erhöht haben. Die Prüfung nimmt die Befragung von ein paar hundert Gewerbe- und Industriebetrieben als Basis. Energie-Regulator Walter Boltz ist mit der Rücklaufquote zufrieden. Anfang Dezember soll das Ergebnis des Zwischenberichts präsentiert werden.
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Boltz deutet an, dass im Zuge der Untersuchung die Österreichische Stromlösung (ÖSL) in eine heikle Phase gekommen ist. Wurde der Zusammenschluss der Energie-Allianz (Wienenergie, EVN, Energie AG, Linz AG und Bewag) mit dem Verbund zu Beginn noch begrüßt, gibt es mittlerweile vor allem seitens der Industrie eine breite Front gegen das Konsortium. "Es stellt sich die Frage, ob die politische Akzeptanz der ÖSL noch gegeben ist, " meint der Regulator. Der Druck auf die ÖSL-Partner wächst und jene, die mit dem Konstrukt bisher nicht glücklich waren oder gar den Ausstieg erwogen, bekommen mit der Prüfung nun weitere Munition in die Hand.
"Die Branche hat sich erfolgreich gegen die Liberalisierung gewehrt." Das Resümee des Regulators ist niederschmetternd. Die versprochenen Segnungen für die Konsumenten sind ausgeblieben. Besonders seit 2003 häuften sich Anzeichen, wonach die Strompreise manipuliert seien. So zeigen die Daten der E-Control, dass die Liberalisierung für Haushalte nichts gebracht hat, im Gegenteil: Sie sind die Verlierer. Seit 2000 sind die Strompreise kontinuierlich nach oben geklettert und haben nun mit knapp
14 Cent je Kilowattstunde ein Rekordhoch erreicht. Für die Industrie ist die Situation besser, die Preise, die nach der Marktöffnung nach unten gingen, sind wieder gestiegen und liegen nun bei 5 Cent je kWh. Gewinner ist laut E-Control das Gewerbe, dessen Stromkosten etwa 9 Cent je kWh ausmachen. Insofern, so Boltz, seien die Anschuldigungen von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl gegen die Strombranche "ein wenig überzogen".
Nun setzen sich die Stromversorger zur Wehr. Tiwag-Chef Bruno Wallnöfer attackiert die "Wahlkampfreden" des WKÖ-Präsidenten: "Da ist eine Hetzkampagne gegen eine österreichische Schlüsselindustrie im Gang." Wienstrom-Chef Friedrich Pink kann die Aufregung nicht verstehen, Österreich liege mit seinen Netztarifen im Mittelfeld, und die Versorgungssicherheit sei sehr gut.
Doch nicht nur der nicht funktionierende Wettbewerb in Österreich bereitet dem Regulator Sorge. Entscheidender sei die Entwicklung in Deutschland. Denn der Preis, der an der Leipziger Strombörse (EEX) ermittelt wird, ist auch ein Referenzwert für die heimischen Unternehmen. Sie berufen sich bei ihrer Preisgestaltung auf die geringen Mengen, die in Leipzig gehandelt werden. Boltz spricht von mangelnder Liquidität, die keine Relevanz für alle Strompreise haben dürfte. "Muss die teuerste Kilowattstunde an der Börse den Strompreis bestimmen? Das ist eher ein Zeichen für nicht funktionierenden Wettbewerb."
Die europäischen Regulatoren versuchen daher nun, die EU-Kommission von mehr Transparenz bei der Preisermittlung zu überzeugen. Auch der Befragung der Händler, wenn keine Umsätze gemacht werden, sollte ein Ende bereitet werden. Wichtig wäre es laut Boltz auch, dass die Stromerzeuger Basisinformationen wie Höchstlast, Verbrauch oder Engpässe der Börse bekannt geben. Weiters fordert er eine Meldepflicht bei allen für die Preisbildung relevanten Ereignissen.