Medikamente gegen Aids, Tollwut und Tbc möglich. | Probleme wegen Zulassungsgebühren. | Tübingen. Im Zuge eines einen fünfjährigen Forschungsprojekts gelang es dem internationalen Konsortium Pharma Plant, pharmakologische Wirkstoffe aus gentechnisch veränderten Tabakpflanzen herzustellen. Mit dem neuen biotechnologischen Verfahren sollen preiswertere Medikamente gegen Aids, Tollwut und Tbc möglich werden. Doch das Konsortium, dem auch zwei österreichische Partner angehören, hat ein Problem mit der European Medicines Agency (Emea).
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"Die Gebühren für wissenschaftliche Beratung der Emea sind eindeutig zu hoch", urteilt Jürgen Brossard vom federführenden Fraunhofer-Institut IME in Aachen, und er präzisiert: "Das Paul-Ehrlich-Institut, das für den deutschen Markt solche Zulassungsberatungen durchführt, verlangt nur rund 7000 Euro statt 35.000 Euro wie die Emea." Deren Beratung beinhaltet eine wissenschaftliche Stellungnahme der Aufsichtsbehörde, der im positiven Fall die Zulassung des Wirkstoffs für die klinische Testphase folgt. Es ist aber noch nicht die Marktfreigabe für das Medikament.
In den USA sind solche Stellungnahmen der Food and Drug Administration (FDA) kostenfrei. Kleinen und mittleren Unternehmen gewährt die Emea zwar Rabatte von bis zu 90 Prozent. Doch einem internationalen Konsortium wie Pharma Plant, dem 39 Forscher aus verschiedenen EU-Ländern angehören, möchte die Emea höchstens 50 Prozent Nachlass geben. Da sie aber 2008 ihre Beratungs-Gebühren auf 75.000 Euro hinaufgesetzt habe, ergebe sich für Pharma Plant unterm Strich kein besserer Preis durch den Discount, hält Brossard dagegen.
Bisher fehlen klinische Studien zu pharmakologischen Wirkstoffen aus genveränderten Tabakpflanzen, die gegen Aids, Tollwut oder Tbc wirksam sind. Nach Mitteilung der Pharmaverbände scheitern etwa 80 bis 90 Prozent der potenziellen Medikamente in den klinischen Tests.
Neues Biotech-Verfahren
Einer der Medikamenten-Kandidaten ist der Antikörper 2G12, der gegen das Aids-Virus aktiv ist und in genveränderten Tabakpflanzen am Fraunhofer-Institut IME hergestellt wird. Bereits mehr als 100 Kilo betrug die letzte Ernte. Der Wirkstoff wird durch ein Extraktionsverfahren mit Zentrifuge, Filtrierung und Chromatographie gewonnen. Fermenter sind nicht nötig, was die Produktionskosten weiter senkt.
Überdies können die relativ bedürfnislosen Tabakpflanzen in jedem Labor angebaut und ihre Produktionsmengen fast beliebig gesteigert werden, erläutert Jean-Marc Neuhaus von der Uni Neuenburg in der Schweiz die Vorzüge. Nachdrücklich unterstützt der Biologe den Standpunkt von Brossard vom Aachener IME: "Gerade die Drittweltländer, in denen Aids, Tollwut und Tbc weit verbreitet sind, benötigen diese neuen, preiswerten Medikamente, die durch die hohen Gebühren, die uns die Emea auferlegt, deutlich verteuert werden."
In dem im Jänner 2010 zu Ende gehenden Projekt prüft Neuhaus, welches der Zell-Kompartimente - plasmatisches Retikulum, Golgi-Apparat oder Plasmamembran - am besten für die Herstellung von hochwertigen und quantitativ ansprechenden Wirkstoff-Mengen geeignet ist. Dem Konsortium gehören Forschungsinstitute in England, Irland Italien, Frankreich oder Deutschland an. Aus Österreich sind die Wiener Universität für Bodenkultur und das 1992 von Hermann Katinger gegründete Biotech-Unternehmen Polymun Scientific Immunbiologische Forschung beteiligt.