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Premier geht geschwächt in Wahl

Von WZ-Korrespondentin Karin Bachmann

Europaarchiv

Zusammensetzung der künftigen Regierung ist völlig unklar. | Den regierenden Sozialisten hilft hohe Wahlbeteiligung. | Bratislava. "Nur eines ist klar: Es gibt in jedem Fall keine Überraschung", antwortet ein Vertrauter des slowakischen sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Robert Fico auf die Frage nach seinem Tipp für den Ausgang der morgigen Nationalratswahlen. Überzeugt vom Sieg des Premiers ist er deshalb noch nicht. Es wäre keine Überraschung, wenn Fico Regierungschef bliebe, es wäre aber auch keine Überraschung, wenn er es nicht bliebe, alles sei offen. | Analyse: Umstritten und isoliert: Premier Fico verwandelt Steilvorlagen in Eigentore


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Er selbst macht einen ruhigen Eindruck, beim Ministerpräsidenten selbst liegen die Nerven hingegen blank. Fico machen vor allem deutlich gesunkene Popularitätswerte zu schaffen. Umfragen zufolge ist er, wie schon seit Jahren, der vertrauenswürdigste Politiker des Nachbarlandes. Vor wenigen Wochen sahen das aber noch über 40 Prozent aller Slowaken so, jetzt sind es gerade einmal 25 Prozent. Außerdem ist der Premier beunruhigt, inwiefern sich die Jahrhundertflut, wegen der das ganze Land außerhalb der Region Bratislava im Ausnahmezustand ist, auf das Wahlverhalten der Bürger auswirkt.

Im Wasser wählen?

Rund 600 und damit knapp ein Fünftel aller slowakischen Gemeinden stehen unter Wasser, in fast allen favorisierte die Mehrheit der Wähler zuletzt den Regierungschef. Inwiefern die Menschen aber überhaupt wählen gehen, wenn ihre Hauptsorge gerade darin besteht, ihr Dach über dem Kopf zu retten, ist höchst fraglich. Wegen des Hochwassers sah es eine Zeitlang sogar so aus, als seien viele Wahllokale am 12. Juni gar nicht zugänglich. Deshalb war in den vergangenen beiden Wochen erstmals in der Geschichte der Slowakei über eine Verschiebung der Parlamentswahlen nachgedacht worden.

All das ist ein Ärgernis für Fico, weil er seinen Wahlkampf vor allem außerhalb der Hauptstadt geführt hat. Dazu war er nicht zuletzt durch den überragenden Erfolg seiner Smer-SD bei den Regionalwahlen im November motiviert, bei denen die Partei mit Ausnahme von Bratislava in allen Verwaltungsbezirken siegte. Seit seinem Amtsantritt im August 2006 hatte der Premier ohnehin schon die eine oder andere Kabinettssitzung in strukturschwachen Regionen anberaumt und bisweilen auch Lokalpolitiker in die Beratungen eingebunden. Im vergangenen halben Jahr fanden die Regierungsberatungen dann kaum noch in Bratislava statt. Fico zog es vor, samt seiner Regierung vor allem im Osten der Slowakei präsent zu sein, dort eröffnete er mit Vorliebe Spielplätze.

Viel schlimmer als die massiven Überschwemmungen wiegen jedoch die Vorwürfe, Fico sei "in den größten Parteienfinanzierungsskandal seit 1989" verwickelt, wie die Tageszeitung "Sme" am gestrigen Donnerstag schrieb. Schließlich hat kein slowakischer Politiker den Kampf gegen Korruption so zur Chefsache erklärt wie ausgerechnet der Ministerpräsident, darauf beruht auch ein großer Teil seiner Anziehungskraft für die Wähler.

Unbekannte Geldgeber sollen Ficos Smer-SD im Jahre 2002 heute umgerechnet 2,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben, die Partei habe die Gelder dann gewaschen, sagte Daniel Lipic, stellvertretender Vorsitzender der Oppositionspartei KDH, vor Journalisten, bevor er der Generalstaatsanwaltschaft, die schon seit Wochen in dieser Angelegenheit ermittelt, ein Tonband übermittelte, auf dem ein Mann "mit einer Fico sehr ähnlichen Stimme" zugibt, Gelder für die Partei besorgt zu haben.

Die KDH mit dem ehemaligen EU-Kommissar Ján Figel an der Spitze gilt bei diesen Wahlen als Geheimfavoritin. Bei den Wahlen dürfte sie zwar nur etwas mehr als zehn Prozent aller Stimmen auf sich vereinigen. Sollte es jedoch für einen Machtwechsel durch eine Mitte-Rechts-Koalition reichen, wäre Figel wohl der erste Aspirant auf das Amt des Ministerpräsidenten, weil Iveta Radicová, Spitzenkandidatin der zurzeit stärksten Oppositionspartei SDKÚ-DS, angeblich nicht machthungrig genug ist, um gegebenenfalls wirklich Regierungschefin zu werden.

Insgesamt hält sich die Opposition mit fünf aussichtsreichsten Parteien - neben der KDH und der SDKÚ-DS sind das die Partei der Ungarischen Koalition SMK von Pál Csáky, die Neugründung Most-Híd von Béla Bugár und Freiheit und Solidarität von Richard Sulik - Umfragen zufolge derzeit in etwa die Waage mit der Regierungskoalition aus Smer-SD, der Slowakischen Nationalpartei SNS von Ján Slota und der LS-HZDS von Ex-Premier Vladimír Meciar.

Macht der Kleinparteien

Viel hängt davon ab, wie viele Wähler sich für kleinere und neu gegründete Parteien entscheiden - nicht zuletzt hängt das Schicksal der bisherigen Regierungskoalition daran. Eine Neuauflage des im Ausland heftig kritisierten Dreigespanns sei nur wahrscheinlich bei einer niedrigen Wahlbeteiligung, so Experten in Bratislava. Von einer steigenden Wahlbeteiligung hingegen werde von den bisherigen Regierungsparteien allein Smer-SD profitieren. Dann sei jedoch höchst fraglich, ob Fico überhaupt Koalitionspartner unter den bürgerlichen Parteien finde.

Mit Blick auf die Opposition ist vor allem spannend, wie sich die politischen Repräsentanten der ungarisch-sprachigen Minderheit und Richard Suliks Freiheit und Solidarität schlagen. Laut Umfragen könnten sowohl die SMK als auch Most-Híd den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen.