Regierende Sozialdemokraten weitgehend isoliert. | Rückkehr der KP an die Macht als Wahlkampfthema. | Prag. Tschechien wählt: Heute Freitag startet das entscheidende Votum. Ganze 24 Parteien stehen zur Auswahl, wahrscheinlich ist, dass es nur fünf davon über die notwendige Fünf-Prozent-Hürde schaffen werden.
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Den letzten Umfragen vor der Wahl zufolge zeichnet sich ein Wahlsieg der konservativen ODS ab. Sie liegt in der Wählergunst seit Jahren vor den Sozialdemokraten und derzeit bei 30,8 Prozent. Der Partei von Premier Ji ø i Paroubek würden 24,2 Prozent der Wähler ihre Stimme anvertrauen. Genau halb so viel Stimmen, 12,1 Prozent, könnte die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens für sich verbuchen. Der jetzige Koalitionspartner der CSSD, die Christdemokraten (KDU-CSL) würden mit Mühe und Not die Fünf-Prozent-Hürde überspringen, sie liegen den Umfragen zufolge bei 5,8 Prozent.
Hoffnungsträger für viele vor allem junge und urbane Wähler sind die tschechischen Grünen, die anscheinend zum ersten Mal den Sprung ins Parlament schaffen werden. Denn immerhin 8,6 Prozent der Wahlberechtigten würden die Grünen gerne als parlamentarische Kraft sehen.
Die Ambitionen der Grünen, zumindest die ihres Vorsitzenden Martin Bursik, gehen allerdings über den Erhalt von Sitzen im Abgeordnetenhaus hinaus. Bursik, ein eher glatt und technokratisch anmutender Unternehmer in der Ökoindustrie, hat schon in verschiedenen Parteien, unter anderem den Christdemokraten, versucht, in die hohe Politik vorzustoßen. Ende der 90er Jahre schaffte er es - damals ausnahmsweise parteilos - bis zum Umweltminister. Und genau diesen Posten würde Bursik nach den Wahlen gerne wieder einnehmen.
Ein Dreierbund?
Dafür würden er und seine Partei eine Koalition mit ODS und KDU-CSL eingehen. Dieser Dreierbund aus Bürgerdemokraten, Christdemokraten und Grünen ist eine wahrscheinliche Regierungskoalition. Allerdings ist äußerst fraglich, wie einig eine solche blau-schwarz-grüne Koalition sein würde. Denn in der Politik der konservativen ODS und der progressiven Grünen gibt es Knackpunkte. So lehnen die Grünen eine Flat-tax von 15 Prozent, wie die ODS sie durchsetzen will, kategorisch ab. Eine weitere Streitfrage ist die Energiepolitik. Deren Kern soll, so die ODS, auch weiterhin das Atom bleiben. Die Grünen hingegen votieren für den baldigen Atomausstieg, prominentes Mitglied der Partei ist zum Beispiel die anti-Temelin Aktivistin Dana Kuchtová.
All das wird erst nach den Wahlen entschieden werden. Der Wahlkampf selbst war nicht von konkreten Themen dominiert. Zwar begann er viel versprechend sachlich: Die ODS baute auf Einführung einer 15-prozentigen Flat-tax und einen staatlich garantierten Mindestlohn, die regierenden Sozialdemokraten versuchten, junge Familien mit einer einmaligen Geburtenpauschale von knapp 2000-4000 Euro und einer Kindergelderhöhung zu locken, versprachen neue Arbeitsplätze und eine Erhöhung des Mindestlohns um fast 400 Euro.
Den größten Teil des Wahlkampfs bestimmte aber die Möglichkeit einer stillen Regierungsbeteiligung durch die Kommunisten. Schon vergangenen Sommer hatte Ministerpräsident Ji ø i Paroubek angekundigt, er würde - sei es denn notwendig - mit der Hilfe von Marsmenschen regieren.
Vielleicht etwas zu weit in die Luft gegriffen, aber zurück auf dem Boden der Tatsachen regiert die CSSD seit gut einem Jahr mit der stillen Hilfe der Kommunistischen Partei. Dass dem künftig so bleiben könnte, ist die Angst vieler Tschechen, vor allem aus großen Städten und mit hohem Bildungsniveau und Einkommen.
Wenn die Wahllokale am Samstag um 14 Uhr schließen, beginnen die Koalitionsverhandlungen. So ziemlich alleine dastehen werden die Sozialdemokraten. Ob sie tatsächlich eine Minderheitenregierung, abhängig von Gunsten der Kommunisten bilden werden können ist fraglich.
Favorit bleibt eine blau-schwarz-grüne Koalition aus ODS, KDU-CSL und Grünen. Und wie stabil diese sein wird, wird der politische Alltag bestimmen.
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