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Premier Truss gibt sich hart

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Kaum hat sich die neue Regierungschefin im Parlament vorgestellt, rumort es schon wieder in den Reihen ihrer Partei.


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Bei der ersten parlamentarischen Fragestunde, die sie als Premierministerin absolvierte, hat die neu ernannte britische Regierungschefin Liz Truss am Mittwoch im Unterhaus ebenso harte wie klare Positionen vertreten. Sie bekräftigte, dass sie mehrere Steuersätze in Großbritannien unmittelbar reduzieren werde, damit ihre Mitbürger über mehr Geld verfügten und internationales Kapital auf der Insel sorglos investieren könne.

Truss räumte zwar ein, dass Soforthilfe im Energiesektor benötigt wird. Bereits am heutigen Donnerstag will sie einen Plan zur Begrenzung von Strom- und Gasrechnungen vorlegen, um eine Lebenshaltungskosten-Katastrophe im Vereinigten Königreich zu vermeiden. Dieser Plan dürfte nach Experten-Ansicht mehr als 100 Milliarden Pfund (rund 115 Milliarden Euro) an neuen Staatsschulden erfordern.

Eine entsprechende Sondersteuer auf die Gewinne der großen Energiekonzerne, wie es die Opposition fordert, will Truss aber nicht erheben. Das würde die Großkonzerne nur abschrecken und dringend nötiges Wirtschaftswachstum verhindern, erklärte sie kategorisch. Oppositionsführer Sir Keir Starmer warf ihr daraufhin vor, sie stelle sich auf skandalöse Weise schützend vor die Milliarden-Profite der Energie-Giganten und wolle am Ende "die hart arbeitende Bevölkerung die Rechnung bezahlen lassen".

Vertraute vom rechten Flügel

Der guten Form halber jedoch beglückwünschten Abgeordnete des Oppositions- wie des Regierungslagers Truss zu ihrem neuen Posten. Anerkennung wurde der Politikerin auch zuteil, weil sie in der Fragestunde ihre Antworten sachlich zu halten suchte und eine Reihe konkreter Antworten gab, ohne ins Persönliche abzugleiten.

Und doch rumort es bereits wieder in den Tory-Reihen. Denn nicht wenige konservative Politiker fürchten, dass Truss sich auf ideologische Positionen versteift hat - und dass sie den enormen Herausforderungen dieses Sommers schlicht nicht gewachsen sein wird.

Unruhe hat dabei vor allem Truss’ Regierungsbildung ausgelöst, die wenig Kompromissbereitschaft erkennen ließ gegenüber abweichenden Meinungen. Zu einer breit angelegten Regierung hatten Tory-Veteranen ja der neuen Premierministerin geraten. Nur so, argumentierten sie, könne Truss sich des Rückhalts der Fraktion versichern und eine zunehmend zerstrittene Partei erfolgreich zusammen halten.

Dennoch entschied sich Truss für ein eng umgrenztes "Kabinett der Treuesten" - für eine Truppe aus persönlichen Freunden, ideologischen Gesinnungsgenossen, langjährigen Gefolgsleuten und früheren Kollegen, meist vom rechten Flügel der Partei. Die traditionellen Top-Posten der Regierung gingen an enge Vertraute wie Kwasi Kwarteng (Finanz), Suella Braverman (Innenpolitik) und James Cleverly (Außenpolitik).

Zur Vize-Premierministerin, die für die Gesundheitspolitik verantwortlich sein soll, ernannte Truss ihre langjährige Mitstreiterin Therese Coffey. Dem superkonservativen Brexiteer Jacob Rees-Mogg übertrug sie nicht nur das Wirtschaftsministerium, sondern auch das Energie-Ressort - und damit die Anti-Klimawandel-Kompetenz im Kabinett.

Potenzial für Rebellionen?

Schon das führte zu Empörung: Rees-Mogg hat in der Vergangenheit stets über "Klima-Schwarzmaler" gespottet und erklärt, er sei gegen lästige Windräder und werde stattdessen Fracking genehmigen. Und er werde, wenn nötig, "noch den letzten Kubikzentimeter Gas" aus der Nordsee "quetschen".

Während Truss so ihr Kabinett fast ausschließlich mit Leuten ihres Vertrauens bestückte, verweigerte sie ihrem Rivalen Rishi Sunak, dem bisherigen Schatzkanzler, jeglichen Posten in der Regierung. Desgleichen wurden bisherige Minister wie Sajid Javid, Michael Gove, Steve Barclay und Ex-Vizepremier Dominic Raab ohne weiteres ihrer Ämter enthoben. Sowohl prominente Sunak-Verbündete wie frühere Anhänger Boris Johnsons finden sich nun zu Dutzenden wieder auf den Hinterbänken.

Das aber, ist übereinstimmende Ansicht in Westminster, schaffe zusammen mit schon früher ausgebooteten Ministern, ewig misstrauischen Brexit-Hardlinern und verunsicherten Tory-Abgeordneten in traditionellen Labour-Regionen ein gefährliches Potenzial für künftige Rebellionen. Londons stets gut unterrichtete "Financial Times" wollte am Mittwoch sogar erfahren haben, dass ein Dutzend Abgeordnete sich bereits dazu verschworen haben, eine Misstrauensabstimmung gegen Truss vorzubereiten - in der Hoffnung, diese wieder durch Johnson zu ersetzen.