Ukraine und ungarisches Sondergesetz stürzen Raiffeisen International in rote Zahlen. Verluste bis zu 500 Millionen möglich.
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Wien. Erfreut haben die Anleger auf die Gewinnwarnung der börsennotierten Raiffeisen Bank International (RBI) nicht reagiert. Nachdem Montagabend bekannt geworden war, dass die Bank das Jahr erstmals in ihrer Geschichte mit einem Verlust abschließen wird - Konzern-Chef Karl Sevelda geht von Verlusten zwischen 50 und 500 Millionen Euro aus -, ist der Aktienkurs der RBI Dienstagmorgen um knapp zwölf Prozent abgesackt. Im Laufe des Tages ist der Kurs wieder auf 17,99 Euro pro Aktie geklettert und lag um 17 Uhr damit bei einem Minus von knapp neun Prozent. Der RBI-Aktienkurs befindet sich schon länger auf einer Talfahrt. Seit Jahresbeginn sind die Aktien um insgesamt 30 Prozent abgestürzt.
Im ersten Halbjahr 2014 hatte die RBI noch einen Nettogewinn von 344 Millionen Euro ausgewiesen. Die andauernde Ukraine-Krise und eine umstrittene Gesetzesänderung zu Fremdwährungskrediten in Ungarn stürzen den Konzern jetzt allerdings in die roten Zahlen.
Dem ungarischen Parlament wurde am Montag ein Gesetz vorgelegt, welches vorsieht, dass alle Fremdwährungskredite bis Jahresende in Forint umgewandelt werden müssen. Diese Gesetzesänderung könnte die RBI 240 Millionen Euro kosten. 67 Millionen wurden dafür schon im zweiten Quartal zur Seite gelegt. Der Rest wird im zweiten Halbjahr fällig. Die Bank muss in der Region nun Kredite der vergangenen zehn Jahre neu bewerten.
In Ungarn musste der Konzern schon im ersten Halbjahr Verluste von 100 Millionen hinnehmen. Gerüchte über einen möglichen Rückzug der RBI aus Ungarn hat Sevelda im Rahmen eines Hintergrundgesprächs dementiert: Es habe Gespräche mit Regierungsvertretern gegeben, aber "der Verkauf in Ungarn steht nicht auf der Agenda".
Sorgenkind Ukraine
In der Ukraine war die RBI bisher von einer Kreditversorgung von 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro ausgegangen. Im ersten Halbjahr hat die Bank dort insgesamt 600 Millionen Euro für faule Kredite gebucht. Wegen der anhaltenden Konflikte in der Ostukraine und der schlechten Wirtschaftslage muss das Institut nun doch mit einer Kreditversorgung von bis zu 1,7 Milliarden Euro rechnen. Außerdem blüht eine Kundenstock- und Markenabschreibung bei der Ukraine-Tochter Aval Bank von bis zu 60 Millionen Euro. Im ersten Halbjahr hatte die Bank schon eine Goodwill-Abschreibung in der Ukraine vorgenommen. "Es gibt dann nichts mehr zum Abschreiben", sagt der Finanzvorstand der RBI, Martin Grüll.
Die Ukraine, vor allem die Krisenregion im Osten, ist, neben Ungarn, das größte Sorgenkind der Bank. In jenen Ortschaften, in denen es immer wieder zu Gefechten zwischen der ukrainischen Armee und russischen Separatisten kommt, müssen viele Bankfilialen aus Sicherheitsgründen geschlossen bleiben. In den letzten Tagen sollen nur 20 der 80 Filialen in der Region geöffnet worden sein, erklärt Sevelda. Auf der Krim hat die RBI ihre 32 Geschäftsstellen schon verkauft.
Im ersten Halbjahr war die Bank noch davon ausgegangen, dass die Krise doch noch politisch gelöst werden könnte und sich die Verluste in Grenzen halten würden.
Die Lage in Russland, dem wichtigsten Auslandsmarkt der RBI, bezeichnete Sevelda vor Journalisten als stabil. Die Sanktionen hätten kaum Auswirkungen auf das Geschäft der RBI gehabt. Der russische Markt ist der wichtigste Auslandsmarkt der RBI. Im ersten Halbjahr erwirtschaftete die Bank dort einen Nettogewinn von 212 Million Euro. Das waren zwei Drittel des Konzerngewinns. Trotzdem ist die Bank wegen der angespannten politischen Lage vorsichtig. Wegen der schwachen Konjunktur sei mit einem leichten Anstieg der Kreditvorsorge zu rechnen. Aufgrund der anhaltenden Spannungen könnten die Risikokosten im Gesamtjahr doppelt so hoch ausfallen wie im Halbjahr.
Dividende wackelt
Wegen der erwarteten Verluste von bis zu einer halben Milliarde ist es unklar, ob die RBI für das laufende Jahr Dividenden ausschütten kann. Hauptaktionär des Instituts ist mit 60,7 Prozent die Raiffeisen Zentralbank (RZB), die wiederum den Raiffeisenlandesbanken gehört. Die restlichen 40 Prozent befinden sich in Streubesitz. In der Vergangenheit hat die RBI teilweise hohe Dividenden an die RZB und damit an die Länderbanken ausgeschüttet (siehe Seite 10). Heuer könnten diese ausbleiben. "Es ist zu früh zu sagen, ob Dividenden ausgeschüttet werden. Das muss noch kalkuliert werden", sagt Sevelda. In jedem Fall will die Bank das Nachrangkapital bedienen.
In den letzten Monaten wurde das 600 Millionen Euro schwere Sparprogramm - das sind 18 Prozent der Gesamtkosten - bereits nach oben geschraubt. Im ersten Halbjahr hat der Konzern 1600 Jobs gestrichen. Ob und wie genau sich die Verluste auf die Kapitalquote auswirken, konnten die RBI-Vertreter am Dienstag noch nicht sagen. Man müsse erst sehen, wie hoch die Verluste tatsächlich ausfallen. Derzeit beträgt die Kapitalquote 10,4 Prozent. "Wir gehen davon aus, dass wir ausreichend kapitalisiert sind und keine Kapitalaufstockung brauchen", sagte Finanzvorstand Grüll. Erst vor kurzem hatte die RBI das Staatskapital in der Höhe von 1,75 Milliarden Euro zurückgezahlt. Frisches Kapital braucht die Bank laut Grüll aber nicht. Die heurige, 2,8 Milliarden schwere, Kapitalerhöhung sei trotz Rückzahlungen genug.
"Das Schlimmste ist vorbei", versucht RBI-Chef Sevelda zu beruhigen. Die Abschreibungen in Ungarn seien eine einmalige Sache. Außerdem geht das Institut von einer Beruhigung der Ukraine-Krise aus. Die RBI wolle sich auch auf andere ertragreiche Märkte, etwa Polen oder Tschechien konzentrieren. Der Vorstand rechnet vorsichtig mit einem Gewinn "im mittleren dreistelligen Bereich" für das Jahr 2015.
Aufgrund der anhaltenden Ukraine-Krise und einem
neuen ungarischen Gesetz für Fremdwährungskredite rechnet die Raiffeisenbank International mit Verlusten zwischen 50 und 500 Millionen Euro für das laufende Jahr. In der Ukraine muss die Bank 1,5 bis 1,7
Milliarden Euro für Vorsorgen und Abschreibungen auf faule Kredite kalkulieren. Im ersten Halbjahr wurden in der Ukraine 600 Millionen für Kreditverluste gebucht. Die Jahresbilanz wird auch durch das ungarische Sondergesetz für Fremdwährungskredite nach unten gedrückt. Dieses wird die RBI zusätzliche 240 Millionen Euro kosten. Das Institut muss wegen
der drohenden Rekordverluste seine Prognosen für die Eigenkapitalrentabilität vor Steuern nach unten korrigieren. Die Bank erwartet nun einen sogenannten "Return on Equity" vor Steuern von 14 statt 15 Prozent. Trotz der schwierigen Lage rechnet die RBI im Jahr 2015 wieder mit Gewinnen.