In amikaler Atmosphäre gelobte der Bundespräsident die neue Regierung an und hielt eine kurze Grundsatzrede.
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Wien. Den Platz zwischen Bundeskanzleramt und Präsidentschaftskanzlei gehörte am Montagvormittag den Sicherheitsleuten und Medienvertretern allein. Zu sagen, der Ballhausplatz wurde aus Sicherheitsgründen abgeriegelt, wäre eine Untertreibung. Die halbe Wiener Innenstadt war aufgrund mehrerer angekündigter Demonstrationen anlässlich der Angelobung der neuen Bundesregierung gesperrt.
Die künftige Regierung ließ sich von den fernen Protesten nicht beeindrucken. In bester Laune und teilweise händchenhaltend mit den Partnern schritten die 14 baldigen Minister und zwei Staatssekretäre vom naheliegenden Außenministerium zur Hofburg.
Drinnen, in den Räumen der Hofburg, wo die feierliche Angelobung des Kabinetts stattfand, war die Stimmung trotzdem gelöst. Was erstaunlich ist, immerhin handelte es für praktisch alle Teilnehmer um eine Premiere. Ein bisschen Aufgeregtheit und Nervosität wäre da durchaus angebracht gewesen. Einzig Sebastian Kurz wusste schon vorher, wie es sich anführt, vor dem Staatsoberhaupt in Reih und Glied zu stehen und die Ernennungsurkunde in Händen zu halten: 2011 wurde Kurz als Staatssekretär angelobt, 2013 als Außenminister. Entsprechend strahlte er die größte Ruhe aus. Die gesamte Angelobungszeremonie erfolgte in bester, ja geradezu amikaler Stimmung.
Neuland betrat auch Alexander Van der Bellen am Montag. Und der Bundespräsident nutzte seine erste Angelobung einer neuen Regierung zu einer Premiere: In einer kurzen persönlichen Ansprache verpackte er noch einmal einen politischen Auftrag an die neuen Minister. Solches hatten zuvor weder Heinz Fischer noch Thomas Klestil unternommen, und davor waren die Staatsoberhäupter ohnehin auf ihre Rolle als Notare der Republik abonniert. Van der Bellen entwickelte mit dieser Neuerung das Amt des Bundespräsidenten erneut einen Schritt weiter.
In seiner kurzen programmatischen Ansprache an die neue Regierung lobte er ein weiteres Mal die Gespräche mit den beiden Verhandlungsführern ÖVP-Obmann Kurz und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache; er habe diese als "kooperativ, konstruktiv und lösungsorientiert kennengelernt. Das schätze ich sehr, und genau so muss auch eine Bundesregierung arbeiten", erklärte Van der Bellen.
Unter Verweis auf seine unterschiedliche politische Herkunft - Van der Bellen war einst Bundessprecher der Grünen - erinnerte daran, dass nicht nur er ab dem Zeitpunkt seiner Wahl zum Staatsoberhaupt verpflichtet sei, zum Wohl aller Österreicher zu arbeiten, sondern selbiges "gilt nun auch für Sie". Und dies ungeachtet der Tatsache, dass es nicht nur Zustimmung zur Koalition aus ÖVP und FPÖ gebe, sondern auch Kritik. In einer Demokratie sei dies jedoch eine Selbstverständlichkeit.
Die Koalition habe das Glück, ihr Amt unter günstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anzutreten. "Ihre Aufgabe ist es jetzt, diese günstigen Bedingungen zum Wohle der Bürger und aller Menschen in Österreich" zu nutzen, gab der Bundespräsident der Regierung mit auf den Weg.
Van der Bellen schloss seine Ansprache mit einer doppelten Mahnung und einer Erinnerung: Es sei wichtig, die gemeinsame Geschichte, "ihre hellen wie auch die dunkelsten Seiten", zu respektieren; es gelte, die eigenen Worte mit Achtsamkeit zu wählen, da es nicht gleichgültig sei, welche Worte und Formulierungen man in der Öffentlichkeit verwende, das diese auch das Bewusstsein formten. Und schließlich zeige sich erst beim "Umgang mit den Schwächsten, was unsere Werte wirklich wert sind". In diesem Sinne möge die neue Regierung "das Gute bewahren und verbessern, was zu verbessern ist".
Nach dieser kurzen programmatischen Rede und der Enthebung der mit der Fortführung der Geschäfte betrauten alten rot-schwarzen Koalition unter Christian Kern war die Angelobung des Bundeskanzlers und anschließend die Ernennung der Minister und Staatssekretäre an der Reihe.
Ganz am Schluss kam es dann doch noch zu einem kleinen Hoppala, als Van der Bellen nach dem Abschreiten der Ministerriege den öffentlichen Teil der Veranstaltung bereits für beendet erklären wollte, noch bevor die neuen Regierungsmitglieder ihre Unterschrift geleistet hatten. Als ihn die Beamten der Präsidentschaftskanzler auf seinen Fauxpas aufmerksam machten, schlug der Bundespräsident - unter dem entspannten Gelächter der Anwesenden - die Hände vors Gesicht.
Als auch dies erfolgreich nachgeholt war, war es endgültig Zeit für einen kleinen Umtrunk. Anschließend begann der Reigen der mehr oder weniger feierlichen Amtsübergaben in den einzelnen Ministerien. Am Mittwoch steht der neuen Koalition die erste Feuerprobe ins Haus, wenn sie sich dem Nationalrat präsentiert.